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Pressemitteilung Nr. 74/2010 vom 26. August 2010


Staatlicher Haftungsrückgriff gegen Öko-Kontrollstelle nur auf gesetzlicher Grundlage

Wenn der Staat die Kontrolle und Zertifizierung von Öko-Landbau-Unternehmen privaten Kontrollstellen überträgt, so darf er diesen Kontrollstellen die Haftung für Fehler und Schäden nur auferlegen, wenn ein Gesetz den Rückgriff zulässt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Landwirtschaftliche Unternehmen dürfen für ihre Produkte nur dann mit dem Gütesiegel "Öko" oder "Bio" werben, wenn sie bestimmte Anforderungen an Herstellung, Verpackung, Lagerung und Vertrieb erfüllen. Hierzu müssen sie sich einer laufenden Kontrolle unterziehen, die grundsätzlich staatlichen Kontrollbehörden obliegt. Der Staat kann diese Aufgabe aber auch privaten Kontrollstellen übertragen, die dann wie Behörden hoheitlich tätig werden dürfen. Unterläuft einer solchen privaten Kontrollstelle ein Fehler, so muss der Staat dem betroffenen Öko-Landbau-Unternehmen gegenüber für den Schaden aufkommen. Umstritten war, ob der Staat bei der privaten Kontrollstelle Rückgriff nehmen kann, selbst wenn deren Bedienstete den Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt haben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt entschieden, dass ein Rückgriff auch bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht kommt, dass es hierzu aber einer Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers bedarf. Wenn die private Kontrollstelle befürchten müsse, für ihre Tätigkeit später in Rückgriff genommen zu werden, so könne ihre Entschlussfreude bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse getrübt werden. Deshalb müssten die möglichen Konsequenzen eines solchen Rückgriffs für die private Kontrollstelle sowie für die gleichmäßige Erfüllung der öffentlichen Kontrollaufgabe selbst zuvor sorgsam bedacht werden. Das Grundgesetz stelle aus diesem Grunde Beamte und andere Angehörige des öffentlichen Dienstes von der persönlichen Haftung weitgehend frei. Das lasse sich zwar nicht ohne weiteres auf Private übertragen, denen der Staat nicht in einem vergleichbaren Dienst- und Treueverhältnis verbunden sei. Deshalb könnten sich derartige Private nicht schon auf das beamtenrechtliche Haftungsprivileg der Verfassung berufen. Wenn der Staat aber Hoheitsaufgaben statt durch Beamte durch Private wahrnehmen ließe, müsse er zugleich die Haftungsverteilung regeln.

Geklagt hatte eine Privatgesellschaft, die seit Beginn der 1980er Jahre deutschlandweit als Kontrollstelle im ökologischen Landbau tätig ist. In Bayern ebenso wie in elf anderen Ländern werden derartige Privatgesellschaften mit der Überprüfung und Zertifizierung von Öko-Landbau-Unternehmen beliehen und treten dann diesen Unternehmen wie eine Behörde gegenüber. Der Freistaat Bayern hatte die Klägerin im Jahr 2003 wiederum beliehen, dem jedoch die Bestimmung beigefügt, dass die Kontrollstelle für Schäden, die aus ihrer Kontrolltätigkeit Dritten erwüchsen, letztlich sie an Stelle des Freistaates einzustehen habe. Dagegen richtete sich die Klage, die in allen drei Instanzen Erfolg hatte.

BVerwG 3 C 35.09 - Urteil vom 26. August 2010

Vorinstanz:

VGH München 19 B 09.90; VG München 18 K 07.4763


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