Der Beschwerdeführer ist Universitätsprofessor an der Fakultät für
Rechtswissenschaften der Universität Hamburg. Seine
Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die §§ 90, 91 des Hamburgischen
Hochschulgesetzes (HmbHG), die das Binnenverhältnis der Hochschulorgane
auf Fakultätsebene regeln. Während § 90 HmbHG die Rechtsstellung und
Aufgaben des Dekanats normiert, regelt § 91 HmbHG die Stellung und
Aufgaben des Fakultätsrats. Beide Vorschriften sind in der Vergangenheit
zunehmend zu Lasten des Fakultätsrats geändert worden.
Der Beschwerdeführer macht geltend, durch diese Vorschriften in seiner
Wissenschaftsfreiheit verletzt zu sein, da ihm kollegial-repräsentative
Mitbestimmungsbefugnisse vorenthalten würden. § 90 HmbHG bündele nahezu
alle grundlegenden wissenschaftsrelevanten Kompetenzen beim Dekanat. Der
Fakultätsrat habe demgegenüber keine hinreichenden Entscheidungs-,
Kontroll- oder Sanktionsbefugnisse. Die ungleiche Kompetenzverteilung
zeige sich insbesondere in den Regelungen über das Berufungsverfahren
und über die Amtsstellung des Dekans sowie über dessen Wahl und Abwahl.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 90
Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 und 3 sowie Abs. 5 Nr. 1, Nr. 2 1.
Alternative und Nr. 7, § 91 Abs. 2 des Hamburgischen Hochschulgesetzes
vom 18. Juli 2001 (HmbGVBl S. 171; zuletzt geändert durch das Gesetz zur
Verbesserung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte und des
Bachelor-Master-Studiensystems vom 6. Juli 2010, HmbGVBl S. 473) mit
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar sind. Diese Regelungen über
Bestellung und Kompetenzen des Dekanats werden in ihrem Zusammenwirken
den Anforderungen der Wissenschaftsfreiheit nicht gerecht.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Soweit die gegen die §§ 90, 91 HmbHG insgesamt gerichtete
Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie teilweise begründet. Die in
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG normierte Wissenschaftsfreiheit fordert, die
Hochschulorganisation und damit auch die hochschulorganisatorische
Willensbildung so zu regeln, dass in der Hochschule freie Wissenschaft
ungefährdet betrieben werden kann. Die Teilhabe der Wissenschaftler als
Grundrechtsträger an der Organisation des Wissenschaftsbetriebs dient
dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten Entscheidungen und ist daher
grundrechtlich garantiert, soweit ihre Freiheit, zu forschen und zu
lehren durch hochschulorganisatorische Entscheidungen gefährdet werden
kann. Daher verlangt die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit durch
organisatorische Regelungen, dass die Träger der Wissenschaftsfreiheit
sich durch ihre Vertreter in Hochschulorganen gegen Gefährdungen der
Wissenschaftsfreiheit wehren und ihre fachliche Kompetenz zur
Verwirklichung der Wissenschaftsfreiheit in die Universität einbringen
können. Der Gesetzgeber muss ein hinreichendes Niveau der Partizipation
der Grundrechtsträger gewährleisten. Zur Klärung der Frage, ob eine
Regelung Strukturen schafft, die sich gefährdend auswirken können, sind
nicht die zugewiesenen Kompetenzen im Einzelnen maßgebend, sondern das
Gesamtgefüge der Hochschulverfassung. Dieses kann insbesondere dann
verfassungswidrig sein, wenn dem Leitungsorgan substantielle personelle
und sachliche Entscheidungsbefugnisse im wissenschaftsrelevanten Bereich
zugewiesen werden, dem mit Hochschullehrern besetzten Gremium im
Verhältnis hierzu jedoch kaum Kompetenzen und auch keine maßgeblichen
Mitwirkungs- und Kontrollrechte verbleiben. Diesen
verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen die angegriffenen Regelungen
nicht in vollem Umfang.
1. Verfassungsrechtlich unbedenklich sind solche Kompetenzen des
Dekanats, bei denen dieses in weitem Umfang rechtliche Vorgaben und
Beschlüsse von Kollegialorganen vollzieht.
So ist es nicht zu beanstanden, dass dem Dekanat nach § 90 Abs. 5 Nr. 3
HmbHG die Aufgabe zukommt, dem Präsidium der Hochschule Vorschläge für
die leistungsorientierte Verteilung von Leistungsbezügen an Professoren
zu unterbreiten. Denn die Vorschläge entfalten keine bindende Wirkung.
Zudem ist diese Kompetenz durch eine differenzierte Regelung bezüglich
der Vergabekriterien sowie der Höhe der Leistungsbezüge und des
Vergaberahmens beschränkt.
Ferner begegnet die in § 90 Abs. 5 Nr. 4 HmbHG normierte Kompetenz des
Dekanats zur Entscheidung über Lehrverpflichtungen ebenfalls keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie von anderen Bestimmungen des
Hamburgischen Hochschulgesetzes wissenschaftssichernd begleitet wird.
Die aufgrund der Kompetenz getroffenen Entscheidungen müssen sich an die
das Dienstverhältnis des Hochschullehrers konstituierenden Regelungen
halten. Zudem ist sichergestellt, dass die Kompetenz in erster Linie der
Organisation des Lehrbetriebs und der Koordination des Lehrangebots
dient und nicht dazu genutzt werden darf, die Freiheit von Forschung
oder Lehre zu beeinträchtigen.
Schließlich verstößt auch die in § 90 Abs. 5 Nr. 2 2. Alternative HmbHG
geregelte Kompetenz des Dekanats, über die vom Berufungsausschuss
vorgelegten Berufungsvorschläge zu beschließen, bei verfassungskonformer
Auslegung nicht gegen die Wissenschaftsfreiheit. Der Fakultätsrat, in
dem die Gruppe der Hochschullehrer über die absolute Mehrheit der Sitze
und Stimmen verfügt, hat es selbst in der Hand, in der von ihm zu
beschließenden Fakultätssatzung zu bestimmen, dass die die
Berufungsvorschläge vorbereitenden Berufungsausschüsse vom Fakultätsrat
und nicht vom Dekanat eingesetzt werden. Das Dekanat entscheidet zwar
über die Berufungsvorschläge, ohne formal an den vom Berufungsausschuss
aufgestellten Berufungsvorschlag gebunden zu sein; es wird jedoch bei
verfassungskonformer Auslegung nur in besonderen Ausnahmefällen vom
Vorschlag des Berufungsausschusses abweichen dürfen. Zudem hat das
Hochschulpräsidium bei seiner endgültigen Entscheidung nicht nur den
Dekanatsvorschlag, sondern auch das Votum des Berufungsausschusses zu
berücksichtigen.
2. Demgegenüber sind die Kompetenzen des Dekanats, die der Fakultät vom
Präsidium zugewiesenen Haushaltsmittel zu bewirtschaften und über die
Zuordnung von Stellen innerhalb der Fakultät zu entscheiden (§ 90 Abs. 5
Nr. 1 HmbHG) sowie die zukünftige Verwendung der Stelle bei freien oder
frei werdenden Professuren und Juniorprofessuren auf der Grundlage des
Struktur- und Entwicklungsplans der Hochschule zu überprüfen (§ 90 Abs.
5 Nr. 2 1. Alternative HmbHG), in Verbindung mit der subsidiären
Auffangzuständigkeit des Dekanats nach § 90 Abs. 5 Nr. 7 HmbHG nicht mit
der Wissenschaftsfreiheit vereinbar.
Dem Dekanat werden in diesen Bereichen weitreichende
Steuerungsmöglichkeiten zugewiesenen, die nicht hinreichend durch
Mitwirkungs-, Einfluss-, Informations- und Kontrollrechte des
Fakultätsrats als kollegialem Vertretungsorgan der Grundrechtsträger in
den §§ 90, 91 HmbHG kompensiert werden.
So fehlt dem Fakultätsrat ein Recht zur Mitwirkung an der Struktur- und
Entwicklungsplanung, die die Grundlage zur Überprüfung der
Stellenverwendung bildet. Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, dass der
Struktur- und Entwicklungsplan der Hochschule aus den Fachbereichen
heraus entwickelt wird. Dieser wird vielmehr vom Hochschulrat
beschlossen, in dem der Einfluss der Hochschullehrer stark begrenzt ist.
Die einzelne Fakultät hat nach Maßgabe des § 91 Abs. 2 HmbHG rechtlich
keine Möglichkeit, auf die Gestaltung des Struktur- und
Entwicklungsplans einzuwirken.
Die Kontrollmöglichkeit des Fakultätsrats ist lediglich auf eine nicht
näher konkretisierte „Kontrolle des Dekanats“ sowie ein Recht zur
„Stellungnahme zu allen Angelegenheiten der Fakultät“ begrenzt. Selbst
ein die sinnvolle und wirksame Ausübung dieses Kontrollrechts
ermöglichendes umfassendes Informationsrecht gegenüber dem Dekanat steht
ihm nach § 91 Abs. 2 HmbHG nicht zu.
Dieses Ungleichgewicht im Verhältnis von Leitungsorgan und
Kollegialorgan wird auch nicht durch die Möglichkeit einer
wirkungsvollen Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Dekanats
ausgeglichen. Der Fakultätsrat hat nach dem Hamburgischen
Hochschulgesetz nur ein beschränktes Mitwirkungsrecht bei der Wahl des
Dekans (§ 90 Abs. 1 Satz 3 HmbHG). Der Fakultätsrat hat den vom
Präsidium ausgewählten Dekan, der nicht einmal Mitglied der Hochschule
gewesen sein muss, lediglich zu bestätigen. Zwar ist durch das
Bestätigungsrecht sichergestellt, dass niemand gegen den Willen des
Fakultätsrats zum Dekan bestellt werden kann. Die Regelung begegnet aber
dann Bedenken, wenn das Wahlrecht des Fakultätsrats für dieses
Kollegialorgan ein notwendiges Kontrollinstrument ist, weil ihm im
Übrigen zugunsten des Leitungsorgans nahezu alle wesentlichen
Kompetenzen entzogen sind.
Die Verfassungswidrigkeit des durch die §§ 90, 91 HmbHG konstituierten
hochschulorganisatorischen Gesamtgefüges ergibt sich jedenfalls aus den
unzureichenden Rechten des Fakultätsrats bezüglich der Abwahl des
Dekans. Dem Fakultätsrat kommt lediglich das Recht zu, mit einer
Mehrheit von drei Vierteln seiner Mitglieder dem Präsidium die Abwahl
des Dekans vorzuschlagen (§ 90 Abs. 4 Satz 3 HmbHG), und ist nicht
selbst befugt, über die Abwahl zu entscheiden (§ 90 Abs. 4 Satz 2
HmbHG). An seinen Vorschlag ist das Präsidium auch nicht gebunden, so
dass der Fakultätsrat keine Möglichkeit hat, sich selbstbestimmt von
einem Dekan zu trennen, der nicht mehr als Leitungsorgan akzeptiert
wird. Das ist deshalb im hochschulorganisatorischen Gesamtgefüge
besonders schwerwiegend, weil der Fakultätsrat nach dem Hamburgischen
Hochschulgesetz auch nicht über andere Einfluss-, Kontroll-, Veto- und
Informationsrechte verfügt, so dass das Fehlen einer Befugnis zur Abwahl
des Dekans eine Kontrolle des Dekanats durch den Fakultätsrat faktisch
unmöglich macht.
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