Im Körperschaftsteuerrecht galt zwischen 2001 und 2008 und damit auch im
Streitjahr 2005 das sog. Halbeinkünfteverfahren. Danach wurden die auf
der Ebene der Körperschaft angefallenen Gewinne mit einem pauschalen
Steuersatz und die ausgeschütteten Dividendeneinkünfte beim
Gesellschafter sodann zur Hälfte mit dessen individuellen
Einkommensteuersatz besteuert. So sollte im Ergebnis durch zwei
Halbbelastungen eine volle steuerliche Belastung erreicht werden. Seit
2009 gilt für im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen das
vergleichbar strukturierte Teileinkünfteverfahren.
Teil des Halbeinkünfte- und mittlerweile des Teileinkünfteverfahrens ist
§ 8b Körperschaftsteuergesetz (KStG), der die steuerliche Behandlung der
Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften
(Bezüge und Veräußerungsgewinne) und der mit diesen Erträgen
zusammenhängenden Aufwendungen und Gewinnminderungen regelt. Die
Vorschrift will wirtschaftliche Doppelbelastungen auf Körperschaftsebene
in Beteiligungsketten dadurch vermeiden, dass es bei einer einmaligen
Körperschaftsteuerbelastung bleibt, bis der Gewinn die Ebene der
Körperschaft verlässt und an eine natürliche Person ausgeschüttet wird.
Zu diesem Zweck stellt § 8b Abs. 1 und 2 KStG sämtliche Erträge, die
einer Kapitalgesellschaft aus der Beteiligung an einer anderen
Kapitalgesellschaft zufließen, steuerfrei. Nach dem auch im
Körperschaftsteuerrecht Anwendung findenden Grundsatz des § 3c Abs. 1
EStG können Aufwendungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit
steuerfreien Einnahmen stehen, nicht zusätzlich ertragsmindernd geltend
gemacht werden. Nachdem es dem Gesetzgeber trotz mehrfacher
Regelungsversuche nicht gelungen war, Zuordnungsschwierigkeiten zwischen
danach nicht berücksichtigungsfähigen und berücksichtigungsfähigen
Betriebsausgaben und damit einher gehende Missbrauchmöglichkeiten
wirksam einzudämmen, bestimmte er mit § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz
1 KStG in der seit dem Jahr 2004 geltenden Fassung pauschal 5 % der
steuerfreien Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne als nicht
abzugsfähige Betriebsausgaben (pauschaliertes
Betriebsausgabenabzugsverbot). Dies geschieht in der Weise, dass 5% der
steuerfreien Erträge dem zu versteuernden Einkommen der beteiligten
Kapitalgesellschaft steuererhöhend hinzugerechnet werden, wobei es auf
die Höhe der tatsächlich in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang
entstandenen Betriebsausgaben nicht ankommt. Ein Abzug der mit der
Beteiligung bzw. Anteilsveräußerung zusammenhängenden Betriebsausgaben
bleibt darüber hinaus möglich.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine Holdinggesellschaft in der
Rechtsform einer GmbH, erzielte im Streitjahr 2005 einen
Jahresüberschuss von rund 12 Millionen Euro, in dem im Wesentlichen ein
Veräußerungsgewinn von etwa 11,6 Millionen Euro durch Verkauf der von
ihr an der Tochtergesellschaft gehaltenen Aktien enthalten war. Zudem
erzielte sie aus Beteiligungen Dividendenerträge von rund 700.000 Euro.
Ihre mit den Beteiligungen verbundenen Betriebsausgaben beliefen sich
dagegen auf lediglich knapp 28.000 Euro. Das Finanzamt rechnete im
Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung nach § 8b Abs. 3 Satz 1 und
Abs. 5 Satz 1 KStG pauschal 5 % der Erträge, mithin insgesamt rund
600.000 Euro dem Gewinn der Klägerin hinzu. Auf die hiergegen erhobene
Klage hat das Finanzgericht dem Bundesverfassungsgericht im konkreten
Normenkontrollverfahren die Frage vorgelegt, ob § 8b Abs. 3 Satz 1 und
Abs. 5 Satz 1 KStG insoweit mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist, als
typisierend 5% der Bezüge und Veräußerungsgewinne als nichtabziehbare
Betriebsausgaben einkommenserhöhend berücksichtigt werden, ohne dass der
Nachweis niedrigerer Betriebsausgaben gestattet ist.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit 6 : 2 Stimmen
entschieden, dass die Pauschalierungsregelung des § 8b Abs. 3 Satz 1 und
Abs. 5 Satz 1 KStG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
GG) vereinbar ist. Sie verstößt weder gegen den Grundsatz einer
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit noch erweist sie sich als
verfassungswidrige Durchbrechung des Grundsatzes der Folgerichtigkeit.
Sie ist durch hinreichende, die Pauschalierung tragende
Rechtfertigungsgründe gedeckt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot verletzt nicht den Grundsatz
der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Denn sie führt jedenfalls
nicht ohne entsprechend gestiegene Leistungsfähigkeit der Körperschaft
zu einer steuerlichen Belastung. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs
wegen nicht gehindert, für die Beantwortung der Frage, ob bei einem
Unternehmen ein grundsätzlich steuerbarer Leistungszuwachs eingetreten
ist, an die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft, hier der
Muttergesellschaft, anzuknüpfen. Dass die Beteiligungseinkünfte vom
Gesetzgeber nach § 8b KStG grundsätzlich steuerfrei gestellt sind,
ändert nichts daran, dass sie gleichwohl die steuerliche
Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft erhöhen. Selbst wenn die
Beteiligungseinkünfte bei der Muttergesellschaft mit Betriebsausgaben in
einem Umfang von weniger als 5% der Einkünfte oder gar ganz ohne
Betriebsausgaben erzielt worden sein sollten, geht die gleichwohl im
Ergebnis um 5% „erhöhte Besteuerung“ nach der gesetzlichen Ausgestaltung
doch stets mit einem weitaus höheren Zuwachs an leistungssteigernden
Einnahmen, die von der Tochtergesellschaft zufließen, einher.
Die pauschale Anordnung eines Abzugsverbots für Betriebsausgaben in Höhe
von 5% der Bezüge und Veräußerungsgewinne verstößt auch nicht zu Lasten
der Steuerpflichtigen gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit. Im
Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens bestimmt § 8b KStG zur Vermeidung
wirtschaftlicher Doppelbelastungen auf der Körperschaftsebene, dass
Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne zwischen
körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften grundsätzlich nicht
der Besteuerung unterliegen. Nach § 3c Abs. 1 Einkommensteuergesetz
(EStG) können Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen im
Zusammenhang stehen, nicht in Abzug gebracht werden. An diesen
Grundgedanken knüpft § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG an, indem er einerseits
den § 3c Abs. 1 EStG für unanwendbar erklärt und damit den
Betriebsausgabenabzug ungeachtet der Steuerfreiheit der damit
verbundenen Erträge in grundsätzlich vollem Umfang erlaubt, andererseits
aber durch das 5%ige pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot bei der
Muttergesellschaft den ansonsten einschlägigen, allgemeinen
Abzugsausschluss von Betriebsausgaben ersetzt. Die 5%ige Hinzurechnung
der Beteiligungseinkünfte bewegt sich daher innerhalb des Gesamtkonzepts
des Gesetzgebers für das Körperschaftsteuerrecht.
Der Gesetzgeber hält sich mit der Vorschrift auch innerhalb seiner
Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis. Denn das pauschale
Betriebsausgabenabzugsverbot verfolgt legitime und zur Rechtfertigung
von Typisierungsregelungen grundsätzlich geeignete Ziele und ist in
seiner konkreten Ausgestaltung mit den vom Bundesverfassungsgericht
entwickelten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung vereinbar.
Die mit der Vorschrift § 8b Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 KStG
verbundene Typisierung und Pauschalierung dient der Vereinfachung der
steuerlichen Behandlung von Beteiligungen, da zum einen die nach der
früheren Rechtlage erforderliche und im Einzelfall schwierige Zuordnung
von Finanzierungsaufwendungen und sonstigen Aufwendungen zu den
einzelnen Beteiligungen entfällt und zudem nunmehr eine einheitliche
Behandlung von in- und ausländischen Beteiligungserträgen erlaubt ist.
Des Weiteren beseitigt § 8b Abs. 3 und Abs. 5 KStG die steuerlichen
Missbrauchsmöglichkeiten, die vor Inkrafttreten der Regelung trotz
verschiedener gesetzgeberischer Korrekturversuche bestanden haben und
auch vielfach genutzt wurden. So konnte das zuvor geltende Abzugsverbot
nach § 3c Abs. 1 EStG insbesondere dadurch umgangen werden, dass vor
allem finanzstarke Unternehmen Gewinnausschüttungen gezielt auf solche
Veranlagungszeiträume konzentrierten, in denen die Darlehen zur
Fremdfinanzierung ihrer Beteiligung zurückgezahlt und damit keine vom
Abzugsverbot erfassten Aufwendungen mehr vorlagen (sog. „Ballooning“).
Dadurch, dass die Versteuerung der Beteiligungseinkünfte durch die
Hinzurechnung der nichtabziehbaren Betriebsausgaben in pauschalierter
Höhe nunmehr jedes Mal im Fall der Gewinnausschüttung oder
Anteilsveräußerung eintritt, hat das Einbehalten von Gewinnen seinen
steuerlichen Vorteil größtenteils verloren. Die Einfügung einer sog.
„Escape-Klausel“, wonach im Falle niedriger Betriebsausgaben die 5%ige
Hinzurechnung auf die tatsächliche Höhe der angefallenen
Betriebsausgaben gedeckelt werden könnte, würde dagegen neue
Gestaltungs- und Umgehungsmöglichkeiten eröffnen, mit denen das Anliegen
des Gesetzgebers einer Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs weithin
unterlaufen werden könnte.
Der Gesetzgeber darf sich bei der notwendigen Verallgemeinerung
gesetzlicher Regelungen grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist
nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen
Rechnung zu tragen. Von Verfassungs wegen ist es nicht zu beanstanden,
dass der Gesetzgeber in den vorgelegten Bestimmungen von der
realitätsnahen Annahme ausging, dass einer Muttergesellschaft für das
Halten der Tochtergesellschaft Aufwendungen entstehen, und sich auf
deren Pauschalierung in Höhe von 5% der Beteiligungseinkünfte festgelegt
hat. Dass die Pauschalierung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben an die
Dividendenbezüge und Veräußerungsgewinne anknüpft, ist
verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden. Denn die Annahme, dass
die zu erwartenden Beteiligungsaufwendungen regelmäßig in einer gewissen
Relation zur Ertragskraft der Beteiligungsgesellschaft stehen, erscheint
mangels besser geeigneter Maßstäbe zumindest vertretbar. Die gesetzliche
Festlegung auf einen Pauschalierungssatz in Höhe von 5% hat ebenfalls
verfassungsrechtlich Bestand. Zwar hat der Gesetzgeber hierzu nicht auf
statistische Erhebungen zurückgegriffen oder selbst solche Grundlagen
für die Pauschalierung geschaffen. Es spricht jedoch auch nichts
dagegen, dass es sich - gerade mit Rücksicht auf die relativ geringe
Höhe der Hinzurechnung - um eine plausible und damit vertretbare Annahme
des Gesetzgebers handelt. Da kein Regelfall für die Finanzierungs- und
Kostenstruktur im Konzern feststellbar ist, steht kein eindeutig
geeigneteres Pauschalierungsmaß zur Verfügung, das der Gesetzgeber mit
seiner Quote verfehlt haben könnte.
Schließlich ist die durch den Pauschalierungseffekt der streitigen
Vorschriften hervorgerufene Belastung als eher geringfügig einzustufen.
Dieser führt nur dann zu einer ungleichen Belastung, wenn Aufwendungen
überhaupt nicht oder nur in geringerer Höhe als 5% der
Beteiligungserträge angefallen sind. Die Steuerlast ist aber
verhältnismäßig gering, da nur 5% der steuerfreien Einnahmen
hinzugerechnet und nach der im Vorlageverfahren maßgeblichen Rechtslage
einem Steuersatz von 25% unterworfen werden, was einer effektiven
Steuerbelastung der ansonsten steuerfreien Einnahmen von 1,25%
entspricht. Zudem wird sich bei der Mehrzahl der Körperschaften die
pauschale Hinzurechnung im Ergebnis als vorteilhaft erweisen, weil sie
auch weit über 5 % liegende Betriebsausgaben uneingeschränkt geltend
machen können. Damit erweisen sich die aus der Pauschalierung
möglicherweise folgenden Härten einer ungleichen Belastung, zumal sie
eher selten auftreten dürften, nicht als so gravierend, dass der
Gesetzgeber den mit der Regelung verfolgten gewichtigen legitimen Zielen
nicht hätte den Vorrang einräumen dürfen.
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