Gemäß § 229 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 5 SGB V sind Renten der betrieblichen
Altersversorgung der Altersrente vergleichbare Einnahmen, aus denen
Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner abgeführt
werden. Das gilt nach § 229 Absatz 1 Satz 3 SGB V in der seit dem 1.
Januar 2004 geltenden Fassung auch dann, wenn eine nicht regelmäßig
wiederkehrende Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart
oder zugesagt worden war. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in zwei
unterschiedlich gelagerten Fällen mit der Frage befasst, ob die Erhebung
von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auch bei Leistungen aus
einer vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers geschlossenen
Kapitallebensversicherung verfassungskonform ist, wenn deren Prämien
teilweise vom Arbeitnehmer selbst entrichtet wurden.
Die Beschwerdeführer sind Rentner. Zu Ihren Gunsten hatte ihr jeweiliger
Arbeitgeber Ende der 70er bzw. Mitte der 80er Jahre eine Betriebsrente
im Wege der Direktversicherung als Kapitallebensversicherung
abgeschlossen und zunächst selbst die Versicherungsbeiträge an den
Versicherer entrichtet; im Verfahren 1 BvR 739/08 führte der Arbeitgeber
die Prämien direkt aus dem sozialversicherungspflichtigen Gehalt des
Beschwerdeführers ab. In beiden Fällen übernahmen die Beschwerdeführer
nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Prämienzahlung an
den Versicherer. Während im Verfahren 1 BvR 739/08 der frühere
Arbeitgeber Versicherungsnehmer blieb, übertrug im Verfahren 1 BvR
1660/08 der Arbeitgeber alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf den
Beschwerdeführer als neuen Versicherungsnehmer.
Nach der Auszahlung der einmaligen Kapitalleistung aus der
Lebensversicherung an die Beschwerdeführer setzte die Krankenkasse in
beiden Fällen hierauf monatliche Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge fest, wobei auch der durch eigene
Prämienzahlung der Beschwerdeführer erwirtschaftete Anteil einbezogen
wurde. Die gegen die Beitragserhebung gerichteten Klagen der
Beschwerdeführer blieben vor den Sozialgerichten ohne Erfolg.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat im
Verfahren 1 BvR 739/08 die gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte
gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen; eine
Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Grundrechten ist hier nicht
gegeben. Im Verfahren 1 BvR 1660/08 hat das Bundesverfassungsgericht
dagegen festgestellt, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Auf die Verfassungsbeschwerde ist
das Urteil des Bundessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur
erneuten Entscheidung an das Bundessozialgericht zurückverwiesen worden.
Den Entscheidungen liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in
die Beitragspflicht nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V, der auch
Kapitalleistungen aus der betrieblichen Direktversicherung unterfallen,
verstößt nicht gegen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit in Verbindung
mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Sie ist den
betroffenen Versicherten zumutbar, weil der Gesetzgeber berechtigt ist,
jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für
die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen
verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen.
2. Die Erhebung von Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner
verletzt auch dann weder die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG noch die
wirtschaftliche Handlungsfreiheit der betroffenen Versicherten aus Art.
2 Abs. 1 GG, wenn - wie im Verfahren 1 BvR 739/08 - die
Versorgungsbezüge aus dem Nettoarbeitsentgelt finanziert worden sind,
das bereits mit Krankenversicherungsbeiträgen belastet wurde. Der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist gewahrt, da den gezahlten
Pflichtbeiträgen der umfassende und unbegrenzte Versicherungsschutz der
gesetzlichen Krankenversicherung gegenübersteht und zwar nicht nur
während des Erwerbslebens, sondern auch nach dem Eintritt in den
Ruhestand. Die Äquivalenz von Beitrag und Risikoabsicherung ist durch
einen Beitrag auf berufsbezogene Versorgungsbezüge des Rentners nicht
gestört.
3. Des Weiteren ist es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar,
dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistung aus
einer stets vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer geführten
Direktversicherung der Beitragspflicht in der gesetzlichen
Krankenversicherung auch dann unterliegt, wenn sie nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch Eigenleistungen des versicherten
Arbeitnehmers finanziert worden ist.
So verhält es sich im Verfahren 1 BvR 739/08. Eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers liegt hier nicht vor. Das
Betriebsrentenrecht qualifiziert auch die ausschließlich
arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung als betriebliche
Altersversorgung. Voraussetzung hierfür ist, dass der
Versicherungsvertrag durch den Arbeitgeber abgeschlossen wurde und er -
anders als beim privaten Lebensversicherungsvertrag -
Versicherungsnehmer ist. Hierbei handelt es sich um ein geeignetes
Kriterium, um beitragspflichtige Versorgungsbezüge und beitragsfreie
private Lebensversicherungen voneinander abzugrenzen. Hinsichtlich
solcher Beiträge, die der Beschwerdeführer nach dem Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis auf die Direktversicherung eingezahlt hat, ist der
Berufsbezug noch insoweit gewahrt, als der Arbeitgeber die
Direktversicherung als Versicherungsnehmer innerhalb der
institutionellen Vorgaben des Betriebsrentengesetzes fortgeführt hat.
Der Beschwerdeführer hat sich den institutionellen Rahmen der
Direktversicherung im Sinne des Betriebsrentengesetzes zunutze gemacht,
so dass auch hieraus erwirtschaftete Erträge noch als Versorgungsbezüge
qualifiziert und damit zu Beiträgen zur Krankenversicherung der Rentner
herangezogen werden können.
4. Das Bundessozialgericht überschreitet jedoch die Grenzen zulässiger
Typisierung und verstößt damit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz,
soweit es im Verfahren 1 BvR 1660/08 auch diejenigen Kapitalleistungen
der Beitragspflicht unterwirft, die auf Beiträgen beruhen, die ein
Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den
Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des
Versicherungsnehmers eingezahlt hat. Denn mit der Vertragsübernahme
durch den Arbeitnehmer ist der Kapitallebensversicherungsvertrag
vollständig aus dem betrieblichen Bezug gelöst worden und unterscheidet
sich hinsichtlich der dann noch erfolgenden Einzahlungen nicht mehr von
anderen privaten Lebensversicherungen. Soweit das Bundessozialgericht
die Einzahlungen auf private Lebensversicherungsverträge allein deshalb
der Beitragspflicht Pflichtversicherter unterwirft, weil die Verträge
ursprünglich vom Arbeitgeber des Bezugsberechtigten abgeschlossen wurden
und damit dem Regelwerk des Betriebsrentenrechts unterlagen,
widerspricht es der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung, die private
Altersvorsorge beitragsfrei zu stellen. Auf die Einzahlungen des
Bezugsberechtigten auf einen von ihm als Versicherungsnehmer
fortgeführten Kapitallebensversicherungsvertrag finden hinsichtlich der
von ihm nach Vertragsübernahme eingezahlten Beiträge keine Bestimmungen
des Betriebsrentenrechts mehr Anwendung. Es begegnet auch keinen
praktischen Schwierigkeiten, bei der Auszahlung einer Lebensversicherung
den auf privater Vorsorge beruhenden Anteil des Zahlbetrags getrennt
auszuweisen.
Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist vorliegend intensiv, weil die
Beitragsbelastung mit dem vollen Beitragssatz zur gesetzlichen
Krankenversicherung erheblich ist. Ein Umgehungsproblem zulasten der
Krankenversicherung der Rentner besteht nicht. Denn der Gesetzgeber des
Betriebsrentengesetzes verfolgt mit dem Fortsetzungsrecht des
Arbeitnehmers explizit den Zweck, einen Anreiz zur Eigenvorsorge in
Ergänzung der betrieblichen Altersversorgung zu setzen.
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