Der am 1. März 2010 in Kraft getretene § 3a des Gesetzes über die
Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG) untersagt den Verkauf von
alkoholischen Getränken in Ladengeschäften aller Art, darunter auch
Tankstellenshops, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr. Ausgenommen
von dem Verkaufsverbot sind Hofläden und Verkaufsstellen von
landwirtschaftlichen Genossenschaften und Betrieben sowie auf
Verkehrsflughäfen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin, die in Baden-Württemberg eine Tankstelle
einschließlich „Tankshop“ gepachtet hat, die Verletzung ihres
Grundrechts auf Berufsfreiheit sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die
Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Insbesondere verletzt das
zeitlich begrenzte Verbot des Alkoholverkaufs die Beschwerdeführerin
nicht in ihren Verfassungsrechten.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Die beschränkende Verkaufsregelung greift zwar in die Berufsfreiheit der
Beschwerdeführerin ein. Sie erfüllt aber die Anforderungen der
Verfassung an grundrechtsbeschränkende Normen. Als Regelung der
Gefahrenabwehr fällt sie in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers und
trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Der
Landesgesetzgeber verfolgt mit der Neuregelung die gewichtigen
Gemeinwohlziele, einem vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden
Alkoholmissbrauch und dadurch bedingten Straftaten und Ordnungsstörungen
sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen.
Die Annahme des Gesetzgebers, dass die tageszeitliche Einschränkung der
Erwerbsmöglichkeiten zu einer Verringerung der mit einem
missbräuchlichen Konsumverhalten einhergehenden Gefahren führt, ist
nicht zu beanstanden. Es ist naheliegend, dass durch eine Begrenzung der
zeitlichen Verfügbarkeit von Alkohol der vermehrte Konsum und die damit
einhergehende Entstehung von Szenetreffs, insbesondere an den nicht
privilegierten Verkaufsstellen wie Tankstellen und Kiosken, eingedämmt
werden kann.
Weder eine Beschränkung des Verkaufverbots auf bestimmte alkoholische
Getränke noch eine Einschränkung des Verbotszeitraums wären mildere
Mittel, die die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung entfallen
lassen könnten, da sie nicht in gleichem Maße wirksam wären. Dies gilt
auch für einzelfallbezogene polizeirechtliche Maßnahmen, da diese
voraussetzen, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung bereits eingetreten ist. Ferner würden lokal begrenzte
Alkoholkonsumverbote in Form von Polizeiverordnungen lediglich zu einer
örtlichen Problemverlagerung führen.
Angesichts des bezweckten Schutzes hochrangiger Gemeinschaftsgüter steht
die angegriffene Regelung in einem angemessenen Verhältnis zu den
grundrechtlich geschützten Belangen der Beschwerdeführerin. Etwas
anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin -
auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum
Nichtraucherschutz und der geforderten folgerichtigen Umsetzung des
gewählten Schutzkonzepts. Denn die dortige Ausgangssituation ist mit der
vorliegenden nicht vergleichbar. Der Landesgesetzgeber hat Ausnahmen vom
nächtlichen Verkaufsverbot für bestimmte privilegierte Verkaufsstellen
vorgesehen, weil er diesen gerade kein identisches Gefährdungspotential
beimaß. Sämtlichen privilegierten Verkaufsstellen ist gemein, dass
regelmäßig nicht nur der Erwerb, sondern gerade der Konsum der
alkoholischen Getränke in einem Umfeld stattfindet, das durch einen
höheren Grad an sozialer Kontrolle und teilweise auch der Kontrolle
durch anwesende Ordnungskräfte gekennzeichnet ist. Demgegenüber findet
beim Erwerb von Alkoholika in Tankstellen und Supermärkten der Konsum
häufig an Örtlichkeiten im öffentlichen Raum an so genannten Szenetreffs
statt, an denen sich die Konsumenten gerade keiner derartigen Kontrolle
ausgesetzt fühlen.
Vor diesem Hintergrund verletzt das angegriffene Alkoholverkaufsverbot
auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Ein sachlicher Grund für die
vorgenommene Differenzierung von privilegierten und nicht privilegierten
Verkaufsstellen liegt gerade in dem nachvollziehbar begründeten
unterschiedlichen Potential der Verkaufsstellen, zur Bildung von
Szenetreffs und missbräuchlichem Alkoholkonsum sowie den mit diesem
verbundenen gefährlichen Begleiterscheinungen beizutragen.
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