Nach dem Urheberrecht sind Vervielfältigungen eines Werkes zum eigenen
Gebrauch in gewissen Grenzen zulässig. Zum Ausgleich dafür, dass die
Hersteller und Importeure von Vervielfältigungsgeräten für die Nutzer
die Möglichkeit schaffen, sich fremde Urheberleistungen durch
Vervielfältigung anzueignen, haben sie an die Urheber zum Ausgleich eine
sog. Geräteabgabe zu leisten. Die bis zum 31. Dezember 2007 geltende
Fassung des § 54a Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG a.F.) sah eine solche
Vergütungspflicht der Hersteller und Importeure vor, wenn nach der Art
des Werkes zu erwarten war, dass es durch Ablichtung eines Werkstücks
oder in einem Verfahren vergleichbarer Wirkung vervielfältigt wird.
Die Beschwerdeführerin und Klägerin des Ausgangsverfahrens nimmt als
Verwertungsgesellschaft die Urheberrechte von Wortautoren wahr. Die
Beklagte des Ausgangsverfahrens importiert und verkauft u. a. Drucker
und Plotter. Die Parteien stritten darüber, ob Drucker und Plotter zu
den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten nach § 54a Abs. 1
UrhG a.F. gehören. Die Beschwerdeführerin nahm die Beklagte auf Auskunft
u. a. über die Art und Anzahl der von ihr in Verkehr gebrachten Drucker
und Plotter sowie deren Leistung in Anspruch und begehrte zudem die
Feststellung einer nach Tarif bestimmten Vergütungspflicht der
Beklagten. Während Landgericht und Oberlandesgericht dem Klagebegehren
im Wesentlichen stattgaben, verneinte der Bundesgerichtshof die geltend
gemachten Ansprüche insbesondere mit der Begründung, dass nach dem
seinerzeit anwendbaren Recht nur die Vervielfältigung von Druckwerken
(analogen Vorlagen) der Vergütungspflicht unterfalle, nicht aber die
Vervielfältigung digitaler Vorlagen. Daher seien Drucker und Plotter
auch in Kombination mit anderen Geräten (wie PC und Scanner) nicht
vergütungspflichtig.
Die Beschwerdeführerin sieht durch diese Entscheidung die von ihr
vertretenen Urheber digitaler Druckvorlagen in ihrem gemäß Art. 14 Abs.
1 GG als geistiges Eigentum gewährleisteten Verwertungsrecht verletzt.
Zudem rügt sie eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen
Richter, weil der Bundesgerichtshof vorab dem Gerichtshof der
Europäischen Union die Frage hätte vorlegen müssen, ob seine Auslegung
des nationalen Urheberrechts den zwingenden Vorgaben aus Art. 5 Abs. 2
lit. a der Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG zuwiderlaufe. Nach dieser
Vorschrift können Mitgliedstaaten Beschränkungen hinsichtlich des
Vervielfältigungsrechts der Urheber eines Werkes regeln, so u. a. in
Bezug auf Vervielfältigungen mittels „beliebiger fotomechanischer
Verfahren“ oder „anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung“, jedoch unter
der Bedingung, dass der Rechtsinhaber einen „gerechten Ausgleich“
erhält.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat das
Urteil des Bundesgerichtshofs aufgehoben und die Sache an ihn
zurückverwiesen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Das angegriffene Urteil verstößt wegen Fehlens einer
Auseinandersetzung mit der Vorlagepflicht zum Gerichtshof der
Europäischen Union („Gerichtshof“) nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gegen die
Garantie des gesetzlichen Richters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss ein nationales
letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich
in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des
Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt,
dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass sie
bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass
die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist,
dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Das
Bundesverfassungsgericht überprüft allerdings nur, ob die Auslegung und
Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV
offensichtlich unhaltbar ist. Dabei kommt es nicht in erster Linie auf
die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den
Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die
Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3
AEUV.
Die angegriffene Entscheidung verstößt gegen die Garantie des
gesetzlichen Richters, weil sie schon nicht erkennen lässt, ob sich der
Bundesgerichtshof überhaupt mit dem europäischen Recht und einer Vorlage
an den Gerichtshof auseinandergesetzt hat. Dabei liegt das Bestehen
einer Vorlagepflicht nahe, da vertretbare andere Ansichten zu der vom
Bundesgerichtshof vertretenen auf der Grundlage der
Urheberrechtsrichtlinie keinesfalls ausgeschlossen erscheinen. Es ist
fraglich, ob nach Unionsrecht Urheber digitaler Vorlagen vom Genuss
eines Geräteabgabe-Systems ausgeschlossen werden dürfen. Denn die
Urheberrechtsrichtlinie unterscheidet nicht ausdrücklich zwischen
analogen und digitalen Vorlagen. Der Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 der
Richtlinie und die Erwägungsgründe schließen nicht aus, dass die
Richtlinie allein auf das Ergebnis des Vervielfältigungsvorgangs und
nicht auf die Beschaffenheit der Vorlage abstellt. Zur Auslegung der
fraglichen Vorschrift der Urheberrechtsrichtlinie existiert weder eine
gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs noch ist die richtige
Anwendung des Unionsrechts offenkundig. Vielmehr ist die Rechtsfrage
bereits mit Blick auf das deutsche, ähnlich formulierte Recht höchst
umstritten. Zudem gelten in den Mitgliedstaaten unterschiedliche
Regelungen, ob überhaupt und welche Geräte beziehungsweise Medien
belastet werden und welchen „gerechten Ausgleich“ die Rechtsinhaber
erhalten; im Hinblick auf die spanische Regelung ist bereits ein
Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof anhängig. 2. Der
Bundesgerichtshof wird auch zu prüfen haben, ob nicht bereits die
Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG eine Auslegung des § 54a UrhG
a.F. erfordert, nach welcher dem Klagebegehren der Beschwerdeführerin
stattzugeben ist. Denn in diesem Falle könnte sich eine Vorlage an den
Gerichtshof mangels Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
erübrigen.
Zu den konstituierenden Merkmalen des Urheberrechts als Eigentum im
Sinne der Verfassung gehören die grundsätzliche Zuordnung des
vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Urheber
im Wege privatrechtlicher Normierung sowie seine Freiheit, in eigener
Verantwortung darüber verfügen zu können.
Die Argumentation des Bundesgerichtshofs, nach der bei Urhebern
digitaler Vorlagen jegliche Vergütung entfällt, zieht mildere Mittel,
das heißt hier eine Begrenzung der Höhe der Vergütung, nicht in
Erwägung. Zudem muss die Auslegung und Anwendung des Urheberrechts trotz
der auf diesem Gebiet zahlreichen technischen Neuerungen die
Eigentumsrechte der Urheber gewährleisten. Eine restriktive Auslegung
von § 54a UrhG a.F. könnte angesichts der rasanten Verbreitung digitaler
Datenspeicherung und -vervielfältigung dazu führen, dass zu Lasten
gewisser Urheber eine absolute Schutzlücke entsteht. Bedenken begegnet
schließlich die Annahme des Bundesgerichtshofs, dass bei digitalen
Vorlagen - anders als bei Druckvorlagen - häufig eine Einwilligung des
Berechtigten in die Vervielfältigung vorliege, da derjenige, der Texte
und Bilder im Internet frei zugänglich mache, zumindest damit rechnen
müsse, dass sie heruntergeladen und ausgedruckt würden. Diese Annahme
lässt offen, warum zum einen den Urhebern in Fällen fehlender
Einwilligung keine Vergütung zukommen, zum anderen die unterstellte
Einwilligung in die Vervielfältigung zugleich einen Verzicht auf
jegliche Vergütung enthalten soll.
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