Die Beschwerdeführerin ist ein Gasversorgungsunternehmen, das in Berlin
rund 650.000 Haushalte und Kleingewerbekunden mit Gas beliefert. Ihr
Preissystem sah sowohl variable Tarife mit einer Preisanpassungsklausel
als auch fixe Tarife mit einem Festpreis vor. In den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beschwerdeführerin für verschiedene variable
Tarife war eine Klausel enthalten, wonach der Gaspreis den an den
internationalen Märkten notierten Ölpreisen folgen sollte. Insofern
sollte die Beschwerdeführerin berechtigt sein, die Gaspreise auch
während der laufenden Vertragsbeziehungen an ihre geänderten
Gasbezugskosten anzupassen, wobei die Preisänderungen sowohl Erhöhung
als auch Absenkung einschließen sollten.
Zum 1. Oktober 2005 und zum 1. Januar 2006 erhöhte die
Beschwerdeführerin den Gaspreis in ihren variablen Tarifen jeweils um
0,5 Cent/kWh. Daraufhin klagten mehrere Kunden auf Feststellung der
Unwirksamkeit dieser Erhöhungen.
In den Ausgangsverfahren, die den beiden Verfassungsbeschwerden zugrunde
lagen, war der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass die
Beschwerdeführerin zu den Preiserhöhungen nicht befugt gewesen sei, weil
sie sich die Preisänderungen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen
nicht wirksam vorbehalten habe. Da die Kläger nicht Tarifkunden im Sinne
der zur Zeit der Preiserhöhungen noch geltenden Allgemeinen Bedingungen
für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV), sondern
Normsonderkunden seien, könne sich die Beschwerdeführerin nicht
unmittelbar auf die Möglichkeit zur Preisänderung nach § 4 Abs. 1 und 2
AVBGasV berufen. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe sich die
Beschwerdeführerin ein Preisänderungsrecht nicht wirksam vorbehalten,
weil die beanstandete Klausel die Kunden unangemessen benachteilige und
daher der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht standhalte.
Die Preisanpassungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beschwerdeführerin habe nicht lediglich das Preisänderungsrecht nach § 4
AVBGasV übernommen, sondern weiche - jedenfalls bei der gebotenen
kundenfeindlichsten Auslegung - zum Nachteil der Kunden davon ab und sei
deshalb unwirksam. § 4 AVBGasV ermögliche nämlich die Weitergabe von
gestiegenen Bezugspreisen an Tarifkunden nur insoweit, als die
Kostensteigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen
ausgeglichen werde. Die von der Beschwerdeführerin verwendete
Preisanpassungsklausel sehe aber die uneingeschränkte Weitergabe von
Bezugskostensteigerungen vor und ermögliche damit eine Preiserhöhung
wegen gestiegener Gasbezugskosten auch dann, wenn sich ihre Kosten
insgesamt nicht erhöht hätten. Außerdem enthalte die Klausel auch keine
Pflicht der Beschwerdeführerin zur Preisanpassung, wenn dies für den
Kunden günstig sei.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
gegen beide Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gerichteten
Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Zwar gehört
zur Garantie der freien Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) auch die
Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen frei mit den
Interessenten auszuhandeln, dieses Grundrecht wurde aber durch die
angegriffenen Entscheidungen nicht verletzt. Angesichts dieses
spezielleren Grundrechts scheidet eine Missachtung der durch Art. 2 Abs.
1 GG geschützten Privatautonomie aus.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Soweit die Beschwerdeführerin in einem der beiden Verfahren gerügt hat,
der Bundesgerichtshof habe ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dadurch
verletzt, dass er die - wegen drohender Rückforderungen durch eine
Vielzahl von Kunden - existenzbedrohenden wirtschaftlichen Auswirkungen
seiner Entscheidung missachtet habe, ist die Verfassungsbeschwerde
unzulässig, weil sie dem Grundsatz der Subsidiarität der
Verfassungsbeschwerde nicht gerecht wird. Das Kammergericht und der
Bundesgerichtshof haben in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise angenommen, dass es hierzu an einem hinreichend konkreten
Tatsachenvortrag der Beschwerdeführerin im fachgerichtlichen Verfahren
gefehlt habe.
Im Übrigen hat die Kammer Bedenken gegen die Grundrechtsfähigkeit der
Beschwerdeführerin, an der ausländische Staaten mittelbar beteiligt
sind, dahinstehen lassen und eine Verletzung der geltend gemachten
Grundrechte nicht feststellen können.
Nach den Grundsätzen der beschränkten verfassungsgerichtlichen
Überprüfbarkeit fachgerichtlicher Entscheidungen sind die Auslegung und
Anwendung des einfachen Gesetzesrechts Aufgabe der Fachgerichte und der
Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht weitgehend entzogen. Das
Bundesverfassungsgericht überprüft - abgesehen von Verstößen gegen das
Willkürverbot - nur, ob die fachgerichtlichen Entscheidungen
Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen
Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere
vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführerin hat der Bundesgerichtshof mit den angegriffenen
Entscheidungen Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit nicht
verkannt.
Die hier von der Freiheit der Berufsausübung umfasste Privatautonomie
setzt auch als Grundlage für das freie Aushandeln einer Vergütung
zwischen den Vertragsparteien voraus, dass die Bedingungen der
Selbstbestimmung des Einzelnen tatsächlich gegeben sind. Vor diesem
Hintergrund ist die Inhaltskontrolle von Formularverträgen nötig, weil
es Allgemeine Geschäftsbedingungen der anderen Partei regelmäßig
verwehren, eine abweichende Individualvereinbarung zu treffen. Die
gerichtliche Kontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kompensiert
die mangelnde Verhandlungsmacht des Vertragspartners des Verwenders.
Deshalb ist sie als solche auch dann verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, wenn der Verwender sich auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG
geschützte Berufsfreiheit berufen kann. Die Inhaltskontrolle Allgemeiner
Geschäftsbedingungen zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie der
Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der jeweils grundrechtlich
geschützten Privatautonomie des Verwenders wie der anderen
Vertragspartei dient.
Auch die Feststellung des Bundesgerichtshofs, dass die umstrittene
Preisanpassungsklausel die Kunden der Beschwerdeführerin entgegen dem
Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteilige (§ 307 Abs. 1
BGB), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der
Bundesgerichtshof hat die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit der
Beschwerdeführerin nicht etwa übersehen, sondern sie - wie auch die
Vertragsfreiheit der Gaskunden - zum Ausgangspunkt seiner Prüfung
gemacht. Bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden
grundrechtlichen Schutzgüter hat der Bundesgerichtshof die
Vertragsfreiheit der Beschwerdeführerin hinreichend berücksichtigt.
Sowohl bei der Herleitung seines Prüfungsmaßstabs als auch bei der
Würdigung der konkreten Klausel hat er die Interessen der
Beschwerdeführerin in nicht zu beanstandender Weise einbezogen. Bei der
Würdigung der umstrittenen Preisanpassungsklausel macht er gerade das
vertraglich vereinbarte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und
Gegenleistung zum Ausgangspunkt seiner Prüfung. Die Beanstandung der
Klausel beruht darauf, dass sie nach Auffassung des Bundesgerichtshofs
eine einseitige Verschiebung dieses durch die vertragliche Vereinbarung
gefundenen Äquivalenzverhältnisses ermöglicht. Diese fachgerichtliche
Würdigung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts, insbesondere die
vom Bundesgerichtshof angenommene Abweichung der Klausel vom Leitbild
des § 4 AVBGasV zum Nachteil der Gaskunden, lässt eine Verletzung von
spezifischem Verfassungsrecht nicht erkennen.
Auch dass der Beschwerdeführerin vom Bundesgerichtshof ein
Preisanpassungsrecht entsprechend § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV im Wege
ergänzender Vertragsauslegung versagt worden ist, begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Auffassung entspricht vielmehr
den Vorgaben der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Insbesondere kann die
Beschwerdeführerin nicht mit Erfolg einwenden, dass die angegriffenen
Entscheidungen das vertraglich vereinbarte Gleichgewicht von Leistung
und Gegenleistung beseitigten. Zwar führen die Entscheidungen dazu, dass
aus - von beiden Vertragsparteien als solche vereinbarten - variablen
Tarifen faktisch Fixtarife werden. Dieser Eingriff in das vertragliche
Äquivalenzverhältnis, der sich faktisch zugunsten der Kunden auswirkt,
ist aber nur die Reaktion auf die verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandende Feststellung des Bundesgerichtshofs, dass die umstrittene
Preisanpassungsklausel ihrerseits eine unzulässige Verschiebung des
vereinbarten Äquivalenzverhältnisses in die umgekehrte Richtung, nämlich
zugunsten der Beschwerdeführerin bewirkt hätte.
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