Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch
Zweites Buch (SGB II) ist neben den kommunalen Trägern die Bundesagentur
für Arbeit (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Sie ist u.a. für die meisten
Eingliederungsleistungen (§§ 16 ff. SGB II) zuständig. Soweit die
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von der Bundesagentur
für Arbeit erbracht werden, trägt die Aufwendungen einschließlich der
Mittel für Eingliederungsleistungen und der Verwaltungskosten gemäß § 46
Abs. 1 SGB II grundsätzlich der Bund. Jedoch bestimmt § 46 Abs. 4 SGB II
eine Kostenbeteiligung der Bundesagentur für Arbeit dergestalt, dass
diese an den Bund einen Eingliederungsbeitrag in Höhe der Hälfte der
Aufwendungen entrichtet, die der Bund jährlich für die
Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten zu tragen hat. Diese
Regelung führte im Jahr 2008 bei der Bundesagentur für Arbeit zu
Ausgaben in Höhe von rund 4,6 Milliarden Euro; für 2009 war eine
Belastung von etwa 4,9 Milliarden Euro prognostiziert.
Die Bundesagentur für Arbeit ihrerseits wird nach den Vorschriften des
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sowohl durch Beiträge der
versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und Dritter
(Beitrag zur Arbeitsförderung) als auch durch Umlagen, Zuschüsse des
Bundes und sonstige Einnahmen finanziert.
Die Beschwerdeführer sind zum einen Gesellschaften, die als Arbeitgeber
Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu tragen haben, und zum anderen
bei den betreffenden Beschwerdeführerinnen angestellte Arbeitnehmer, die
in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sind. Sie sind
der Auffassung, durch die in § 46 Abs. 4 SGB II geregelte Abführung des
Eingliederungsbeitrags an den Bund unmittelbar in ihren Grundrechten
verletzt zu sein, da sie als Beitragszahler die finanziellen
Auswirkungen der Norm zu tragen hätten.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, da sie
unzulässig sind.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Eine Verfassungsbeschwerde ist, insbesondere wenn sie sich, wie hier,
unmittelbar gegen ein Gesetz richtet, nur zulässig, wenn der
Beschwerdeführer durch den angegriffenen Hoheitsakt selbst, gegenwärtig
und unmittelbar betroffen ist. Eine solche unmittelbaren
Selbstbetroffenheit haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt.
Adressat der in § 46 Abs. 4 SGB II angeordneten Zahlungspflicht, die
ausschließlich mit den Verfassungsbeschwerden angegriffen wird, ist
allein die Bundesagentur für Arbeit. Eine hinreichend enge Beziehung
zwischen § 46 Abs. 4 SGB II und einer ihnen zustehenden
Grundrechtsposition haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt.. Soweit
sie sich auf einen aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleiteten Anspruch auf
sachgerechte beziehungsweise den Zwecken der Arbeitslosenversicherung
entsprechende Verwendung der aus ihren Beiträgen aufgebrachten
Finanzmittel berufen, haben sie sich nicht mit der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinander gesetzt. Danach
kann ein einzelner Bürger, der eine bestimmte Verwendung des Aufkommens
aus öffentlichen Abgaben für grundrechtswidrig hält, aus seinen
Grundrechten keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer solchen
Verwendung herleiten.
Auch der Eigentumsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG greift nicht. Zwar fallen
in der Sozialversicherung vermögensrechtliche Positionen, die auf nicht
unerheblichen Eigenleistungen beruhen und zudem der Existenzsicherung
dienen, wie z. B. die Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld, in den
Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Die von den Versicherten
geleisteten Beiträge selbst gehen jedoch mit ihrer Zahlung in das
Vermögen der Bundesagentur für Arbeit über und unterliegen damit nicht
der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. Zudem ist nach dem Vortrag
der Beschwerdeführer nicht ersichtlich, dass der Eingliederungsbeitrag
gerade aus solchen Mitteln der Bundesagentur für Arbeit bestritten
werden soll, die aus Beiträgen, unter anderem der Beschwerdeführer,
stammen, und damit zu einem Entzug ihrer Beitragsmittel führen. In den
Haushalt der Bundesagentur für Arbeit, aus dem diese den
Eingliederungsbeitrag zu finanzieren hat, fließen nicht nur die von
Versicherten und Arbeitgebern erbrachten Beiträge, sondern auch sonstige
Einnahmen, zum Beispiel die Zuschüsse des Bundes.
Die Beschwerdeführer sind auch als Beitragszahler nicht direkt selbst
betroffen. Der für die verfassungsrechtliche Bewertung insoweit
maßgebliche Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der
Beitragszahler wird erst durch die Erhebung ihrer Beiträge zur
Arbeitsförderung und die ihr zugrunde liegenden Vorschriften über die
Beitragspflicht und -höhe bewirkt, nicht jedoch unmittelbar durch die in
§ 46 Abs. 4 SGB II geregelte Zahlungspflicht der Bundesagentur für
Arbeit. Vorschriften über die Beitragspflicht und –höhe haben die
Beschwerdeführer jedoch nicht mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen.
2. Darüber hinaus steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden der
Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Den Beschwerdeführern ist es
zumutbar, die von ihnen gerügten Grundrechtsverletzungen durch § 46 Abs.
4 SGB II in sozialgerichtlichen Klageverfahren geltend zu machen. Nach
der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ein
Beitragspflichtiger mit einer sozialgerichtlichen Klage geltend machen,
dass die gegen ihn festgesetzten Beiträge zu hoch beziehungsweise
rechtswidrig sind, weil die der Beitragsberechnung zu Grunde gelegten
Normen verfassungswidrig sind. Die Dauer eines sozialgerichtlichen
Verfahrens begründet keine unzumutbare Belastung für die
Beschwerdeführer, sondern stellt lediglich einen allgemeinen, mit der
Verfolgung eines Anspruchs vor den Fachgerichten stets verbundenen
Nachteil dar, der keine vorzeitige Entscheidung durch das
Bundesverfassungsgericht rechtfertigt.
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