Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat in zwei Verfahren dem
Bundesverfassungsgericht gesetzliche Regelungen im Wege der
Normenkontrolle vorgelegt, die die Überprüfung der Zuverlässigkeit von
Luftfahrern betreffen (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 Luftsicherheitsgesetz in
Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Luftverkehrsgesetz). Das
Luftsicherheitsgesetz wurde im Januar 2005 als Artikel 1 des Gesetzes
zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben erlassen. Den
Vorlagebeschlüssen liegen Klagen von Privatpiloten zugrunde, die sich
gegen den Widerruf von Luftfahrerscheinen für das Führen von
Privatflugzeugen und Segelflugzeugen wenden. Die Fluglizenzen waren
widerrufen worden, weil die Kläger sich nicht der nach dem
Luftsicherheitsgesetz erforderlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung
unterzogen beziehungsweise die erforderlichen Nachweise nicht erbracht
hatten. Das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, die Regelungen, nach
denen die Kläger der Ausgangsverfahren dem Erfordernis einer
Zuverlässigkeitsüberprüfung unterliegen, seien verfassungswidrig, weil
das Luftsicherheitsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedurft hätte.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die
zur Prüfung gestellten Bestimmungen verfassungsmäßig sind.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Das Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, als dessen
Bestandteil das Luftsicherheitsgesetz erlassen wurde, bedurfte nicht der
Zustimmung des Bundesrates.
Eine Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich nicht daraus, dass das Gesetz
Regelungen zur Einrichtung der Behörden (Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG)
enthielte. Das Luftsicherheitsgesetz verwendet zwar den Begriff der
Luftsicherheitsbehörden, verpflichtet die Länder aber nicht zur
Schaffung neuer Behörden und berührt auch nicht in sonstiger Weise die
Befugnis der Länder zur Organisation ihrer Behörden.
Das Gesetz war nicht wegen darin enthaltener Regelungen zum
Verwaltungsverfahren zustimmungsbedürftig. Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG
begründet nach seinem Wortlaut kein Zustimmungserfordernis für
Regelungen des Verwaltungsverfahrens.
Das Gesetz bedurfte nicht der Zustimmung gemäß Art. 87d Abs. 2 GG. Nach
dieser Vorschrift können Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern
(nur) mit Zustimmung des Bundesrates als Auftragsverwaltung übertragen
werden.
Eine gesetzliche Regelung „überträgt“ den Ländern Aufgaben, soweit sie
ihnen Aufgaben zuweist, die ihnen zuvor nicht oblagen. Danach kommt es
zunächst auf einen Vergleich der den Ländern übertragenen Aufgaben vor
und nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung von
Luftsicherheitsaufgaben an. Dieser Vergleich ergibt, dass das Gesetz
keine zusätzlichen Aufgaben übertragen hat. Bereits vor seinem
Inkrafttreten war den Ländern durch das Luftverkehrsgesetz der „Schutz
vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs“ übertragen. Das
Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben hat den Ländern keine
Aufgaben zugewiesen, die aus dem Rahmen dieser bereits früher
zugewiesenen Aufgabe fallen.
Allerdings können auch bloße Veränderungen in der Ausgestaltung einer
bereits übertragenen Aufgabe ausnahmsweise der Sache nach eine
Übertragung neuer Aufgaben darstellen und daher der Zustimmung bedürfen,
wenn sie der übertragenen Aufgabe eine wesentlich andere Bedeutung und
Tragweite verleihen. Die bloß quantitative Erhöhung der Aufgabenlast
genügt dazu aber grundsätzlich nicht. Sie stellt jedenfalls dann keine
wesentliche Veränderung der Bedeutung und Tragweite einer gemäß Art. 87d
Abs. 2 GG übertragenen Aufgabe dar, wenn die Wahrnehmung der
übertragenen Aufgabe dadurch nicht strukturell oder in anderer Weise
schwerwiegend verändert wird. Eine derart grundlegende Umgestaltung der
übertragenen Aufgabe ist mit dem Gesetz zur Neuregelung von
Luftsicherheitsaufgaben nicht erfolgt.
Die Bestimmungen, die es dem Bund ermöglichen, zuvor den Ländern
übertragene Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden wieder an sich zu
ziehen (§ 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 LuftSiG), lösen ebenfalls kein
Zustimmungserfordernis aus. Sie regeln nicht die nach dem Wortlaut des
Art. 87d Abs. 2 GG allein zustimmungsbedürftige Übertragung von Aufgaben
an die Länder. Zwingende Gründe, die ein vom Wortlaut abweichendes
Verständnis rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. An der
besonders gewichtigen Berührung der förderalen Ordnung und des
Interessenbereichs der Länder, der die grundgesetzlichen Erfordernisse
einer Zustimmung des Bundesrates Rechnung tragen, fehlt es, wenn den
Ländern ein Aufgabenbereich entzogen wird, der ihnen nach der primären
grundgesetzlichen Aufgabenzuordnung (vgl. Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG)
ohnehin nicht zugewiesen ist.
Die Normen, nach denen die Kläger der Ausgangsverfahren der
Zuverlässigkeitsüberprüfung unterliegen, sind auch materiell
verfassungsgemäß. Sie verstoßen weder gegen Grundrechte noch gegen das
Rechtsstaatsprinzip.
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