Im Jahr 1995 wurde der Betrieb Landeskrankenhäuser Hamburg (LBK
Hamburg), eine rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts, gegründet,
deren Träger die Freie und Hansestadt Hamburg war. Die
Arbeitsverhältnisse der bisher in den städtischen Krankenhäusern tätigen
Arbeitnehmer gingen auf den LBK Hamburg über. Für den Fall der
Privatisierung wurde allen in den Kliniken der Stadt tätigen
Arbeitnehmern ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst gewährt.
Ab dem 1. Januar 2000 beauftragte der LBK Hamburg ein hundertprozentiges
Tochterunternehmen, die C. GmbH, mit der Durchführung der
Reinigungsarbeiten in den Krankenhäusern. Die Arbeitsverhältnisse der im
Reinigungsbereich tätigen Arbeitnehmer gingen im Wege eines
Betriebsteilübergangs gemäß § 613a BGB auf die C. GmbH über.
Anfang 2005 wurde die Betriebsanstalt LBK Hamburg errichtet und in eine
Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die LBK Hamburg GmbH,
umgewandelt. Diese wurde kraft Gesetzes Arbeitgeberin eines Großteils
der bereits 1995 von der Stadt auf den LBK Hamburg übergeleiteten
Arbeitnehmer, aber nicht der weiterhin bei der C. GmbH beschäftigten
Reinigungskräfte. Mehrheitsgesellschafter der LBK Hamburg GmbH blieb
vorerst die Stadt.
In § 17 Satz 1 des Gesetzes über den Hamburgischen Versorgungsfonds -
Anstalt öffentlichen Rechts - (HVFG) vom 21. November 2006 wurde das den
Arbeitnehmern für den Fall der Veräußerung der Anteilsmehrheit
eingeräumte Rückkehrrecht nunmehr auf die Mitarbeiter der LBK Hamburg
GmbH beschränkt. Am 1. Januar 2007 ging die Mehrheit der Anteile an der
LBK Hamburg GmbH von der Stadt auf einen privaten Träger über.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist seit 1987 als Reinigungskraft im
Allgemeinen Krankenhaus Altona tätig. Ihr Arbeitsverhältnis ging 1995
von der Stadt auf den LBK Hamburg über, und seit 2000 ist sie
Arbeitnehmerin der C. GmbH. Sie klagte gegen die Stadt auf Feststellung,
dass ihr ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst zustehe. Das
Landesarbeitsgericht legte dem Bundesverfassungsgericht im Wege der
konkreten Normenkontrolle die Frage vor, ob § 17 HVFG mit dem
Grundgesetz vereinbar ist.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied, dass § 17 Satz
1 HVFG sowohl mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG
als auch mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar ist. Der Landesgesetzgeber hat
bis zum 31. Dezember 2010 eine Neuregelung zu treffen.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
§ 17 Satz 1 HVFG führt zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe
der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse 1995 von der Stadt auf den
LBK Hamburg übergeleitet wurden. Ursprünglich wurde den
Reinigungskräften wie den anderen an den Kliniken der Stadt bei der
Gründung des LBK Hamburg beschäftigten Arbeitnehmern für den Fall der
Privatisierung ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst gewährt.
Durch § 17 Satz 1 HVFG wird ihnen ein solches Rückkehrrecht aber
verwehrt, weil es auf die Mitarbeiter der LBK Hamburg GmbH beschränkt
ist.
Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt und daher mit Art. 3
Abs. 1 GG unvereinbar. Ein tragfähiger Grund für die Benachteiligung der
Reinigungskräfte liegt nicht darin, dass sie schon vor der das
Rückkehrrecht nach § 17 Satz 1 HVFG auslösenden Privatisierung in einem
privatrechtlich organisierten Unternehmen beschäftigt waren. Für die
Arbeitnehmer, die die gesetzlichen Voraussetzungen des Rückkehrrechts
zur Stadt erfüllen, gilt nämlich nichts anderes. Ihr Arbeitgeber war
seit Anfang 2005 ebenfalls eine GmbH.
Die Argumentation der Stadt, die Reinigungskräfte hätten ihre
Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst bei ihrer Ausgliederung am 1.
Januar 2000 durch Erklärung eines Widerspruchs gemäß § 613a Abs. 6 BGB
gegen den Arbeitgeberwechsel aufrecht erhalten können, zeigt keinen
rechtserheblichen Unterschied zu den übrigen Arbeitnehmern auf. Den
Reinigungskräften kann nicht unterstellt werden, sich im Jahr 2000
bewusst gegen einen Verbleib im öffentlichen Dienst entschieden zu
haben. Vielmehr haben sie den Betriebsteilübergang vom LBK Hamburg auf
die damals noch von der Stadt beherrschte C. GmbH lediglich
widerspruchslos hingenommen. Damit haben sie den
Umstrukturierungsmaßnahmen der Stadt im Krankenhausbereich Folge
geleistet und insofern sogar ihre Solidarität mit der städtischen
Personalplanung unter Beweis gestellt. Zudem war die Rechtslage für
beide Arbeitnehmergruppen in dem Zeitpunkt, in dem der LBK Hamburg aus
der Arbeitgeberstellung zu ihnen ausschied, identisch. Auch die anderen
Arbeitnehmer hätten anlässlich der Umwandlung des LBK Hamburg in eine
GmbH den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der Stadt durch
Erklärung eines Widerspruchs herbeiführen können, weil der
Landesgesetzgeber die entsprechende Anwendbarkeit des § 613a Abs. 6 BGB
vorgesehen hatte. Ein rechtlich beachtlicher Unterschied kann auch nicht
darin gesehen werden, dass die Reinigungskräfte im Januar 2000 einen
erheblichen Anlass zum Widerspruch gegen den Arbeitgeberwechsel gehabt
hätten, die anderen Arbeitnehmer zum Jahreswechsel 2004/2005 hingegen
nicht. Denn eine tatsächliche, auf Dauer angelegte
Beschäftigungsmöglichkeit bestand nach dem Betriebsteilübergang für die
Reinigungskräfte nur noch bei der C. GmbH. Es kann daher keine Rede
davon sein, dass die Reinigungskräfte eine Ausweichoption gehabt hätten,
mit der sie sich keinem nennenswerten rechtlichen oder wirtschaftlichen
Risiko ausgesetzt hätten.
Die Benachteiligung der Reinigungskräfte kann auch nicht überzeugend
darauf gestützt werden, dass die Gebäudereinigung keine unmittelbar dem
Gesundheitswesen zuzuordnende Dienstleistung ist. Die Stadt hat
sämtliche Bereiche der Krankenhäuser privatisiert und keine
Notwendigkeit gesehen, einzelne Bereiche in öffentlicher Hand zu
belassen. Daher kann es nicht überzeugen, dass nur bestimmte
Arbeitnehmergruppen eine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst
verlangen dürfen.
Darüber hinaus ist die Regelung in § 17 Satz 1 HVFG mit Art. 3 Abs. 2 GG
unvereinbar, da sie zu einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung
führt. Durch die Beschränkung des Rückkehrrechts hat der
Landesgesetzgeber ganz überwiegend und ohne tragfähige
Rechtfertigungsgründe Arbeitnehmerinnen benachteiligt. Die
geschlechtsspezifische Wirkung der Sonderregelung für Reinigungskräfte
folgt daraus, dass sie mit einem Anteil von 93,5 % hauptsächlich Frauen
trifft. Dieser Anteil liegt wesentlich über dem im Klinikbereich ohnehin
hohen Frauenanteil.
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