Der Beschwerdeführer zu 1) machte erfolglos Leistungen der gesetzlichen
Unfallversicherung geltend, weil er während seines Grundwehrdienstes in
der NVA ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen sei. In seinem
sozialgerichtlichen Verfahren hatte er einen Richter des
Bundessozialgerichts wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt,
weil dieser sich im Jahr 2004 in einem Workshop eines
berufsgenossenschaftlichen Instituts zum Bericht der sogenannten
Radarkommission geäußert hatte. Der Ablehnungsantrag war vom
Bundessozialgericht zurückgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer zu 2) ist ein eingetragener Verein, der sich die
gemeinschaftliche Vertretung von Interessen Strahlengeschädigter zur
Aufgabe gemacht hat.
Beide Beschwerdeführer richten sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde
gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs. Darüber hinaus beantragt
der Beschwerdeführer zu 2) den Erlass einer einstweiligen Anordnung, den
vom Bundessozialgericht angesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung,
an dem der erfolglos abgelehnte Richter teilnehmen werde, aufzuheben und
den Rechtsstreit erst nach der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts fortzuführen.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die
Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1) ist unbegründet,
diejenige des Beschwerdeführers zu 2) unzulässig.
Eine Entziehung des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG liegt nicht vor, weil wissenschaftliche Äußerungen zu einer
für das Verfahren bedeutsamen Rechtsfrage alleine noch kein
Befangenheitsgrund sind. Zweifel an der Unvoreingenommenheit eines
Richters können erst dann auftreten, wenn die Nähe der Äußerungen zu der
von einem Beteiligten in einem konkreten Prozess vertretenen
Rechtsauffassung bei einer Gesamtbetrachtung nicht zu übersehen ist, und
die wissenschaftliche Tätigkeit des Richters vom Standpunkt anderer
Prozessbeteiligter aus die Unterstützung dieses Beteiligten bezweckt.
Die Erheblichkeit der Äußerungen für ein Rechtsgebiet sowie die
Möglichkeit, dass die im Diskurs vertretene Meinung eines Richters von
anderen aufgegriffen werden kann, stellen noch keine Besonderheiten in
der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung dar. Eine subjektive
Parteinahme des Richters in seinem Vortrag oder eine Bezugnahme auf
einen konkreten Sachverhalt wird nicht behauptet. Die zitierten
Äußerungen des Richters betreffen abstrakte Kausalitätsfragen und nehmen
grundsätzlich auf gesetzliche Erfordernisse Bezug.
Der Beschwerdeführer zu 2), der nicht als Partei an dem Verfahren vor
dem Bundessozialgericht beteiligt war, ist durch die Zurückweisung des
Befangenheitsgesuchs nicht in eigenen Rechten betroffen. Eine bloße
Berührung von Vereinsinteressen begründet noch keine Verletzung von
Grundrechten.
Der Antrag des Beschwerdeführers zu 2) auf einstweiligen Rechtsschutz
bleibt aus mehreren Gründen ohne Erfolg. Mangels Beteiligung am
Verfahren vor dem Bundessozialgericht fehlt ihm die Antragsbefugnis für
den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in untrennbarem
Zusammenhang mit der Ablehnung des Befangenheitsantrags durch das
Bundessozialgericht steht, weil die Mitwirkung eines angeblich
befangenen Richters befürchtet wird. Davon unabhängig könnte die für den
Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Bundesverfassungsgericht
erforderliche Folgenabwägung eine Terminsverschiebung nicht
rechtfertigen. Es ist regelmäßig nicht Aufgabe des
Bundesverfassungsgerichts, auf dem Wege des einstweiligen Rechtsschutzes
prozessleitende Verfügungen eines Fachgerichts im laufenden Verfahren
aufzuheben. Der Grundrechtsschutz kann ausreichend durch eine
verfassungsgerichtliche Kontrolle der fachgerichtlichen Endentscheidung
gesichert werden.
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