Der Beschwerdeführer betreibt die Internetseite www., auf der er die „N.
Zeitung online“ publiziert. Er beabsichtigte, dort einen Artikel des
Autors R. zu veröffentlichen, der sich mit einem Rechtsstreit befasste,
in dem R. auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Buches in Anspruch
genommen wurde. Deshalb fragte der Beschwerdeführer schriftlich bei dem
Sozius des Rechtsanwalts H., der den Kläger in jenem Rechtsstreit
vertrat, an, ob er ein auf dessen Kanzleihomepage vorhandenes Foto für
die Veröffentlichung verwenden dürfe. Die Anfrage war in einem teils
unfreundlichen, teils ironischen Ton gehalten. Der Sozius (im Folgenden:
Kläger) widersprach ausdrücklich der Nutzung von Bildern seiner Person
und seines Sozius H. und drohte dem Beschwerdeführer mit rechtlichen
Schritten. Im Zusammenhang mit dem anschließend veröffentlichten Artikel
des R. auf seiner Website, in dem sowohl das Auftreten als auch die
äußere Erscheinung des Prozessvertreters H. kommentiert wurden, merkte
die Redaktion an, dass der Beschwerdeführer auf Anfrage "ein
eindrucksvolles Homepage-Foto seiner Kanzlei zu R.s Glosse nicht habe
freigeben wollen". Zudem wurde der Inhalt der E-Mail des Klägers sowie
einer weiteren E-Mail, mit der H. ausdrücklich der Verwendung seines
Bildes widersprochen hatte, wörtlich wiedergegeben.
Der Kläger nahm den Beschwerdeführer daraufhin beim Landgericht Berlin
auf Unterlassung wörtlicher Zitate aus dem anwaltlichen Schreiben in
Anspruch. Mit dem hier angegriffenen Urteil vom 5. Juni 2007 bejahte das
Landgericht einen Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 in
Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger werde durch die
Wiedergabe seiner harsch formulierten Ablehnung auf der Website des
Beschwerdeführers öffentlich als jemand vorgeführt, der auf eine
schlichte Anfrage mit einer scharfen Drohung reagiere. Die dadurch
erfolgte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers wiege
schwerer als das Interesse der Öffentlichkeit an dieser Information. Die
Berufung des Beschwerdeführers wurde nach entsprechendem Hinweis gem. §
522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung
seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG gerügt. Die
1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
gerichtlichen Entscheidungen aufgehoben und zur erneuten Entscheidung
zurückverwiesen. Die Verurteilung zur Unterlassung wörtlicher Zitate aus
dem anwaltlichen Schreiben des Klägers verletzt den Beschwerdeführer in
seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG). In den Schutzbereich
des Art. 5 Abs. 1 GG fallen auch Tatsachenbehauptungen, sofern sie - wie
im vorliegenden Fall - zur Bildung von Meinungen beitragen können. Zwar
können § 823 Abs. 1 und § 1004 BGB als grundrechtsbeschränkende Normen
i.S.d. Art. 5 Abs. 2 GG herangezogen werden. Die Gerichte haben aber bei
der Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die wertsetzende
Bedeutung des beeinträchtigten Grundrechts nicht hinreichend
berücksichtigt.
Bereits die Annahme der Gerichte, dass die Veröffentlichung des Zitats
das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtige, begegnet
erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit die Gerichte hier
auf die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Fallgruppe
der sogenannten „Prangerwirkung“ abgestellt haben, fehlt es an einer
nachvollziehbaren Begründung. Die Urteilsgründe lassen insbesondere
nicht erkennen, dass das mit dem Zitat berichtete Verhalten des Klägers
ein schwerwiegendes Unwerturteil des Durchschnittspublikums oder
wesentlicher Teile desselben nach sich ziehen könnte, wie es der Annahme
einer Anprangerung vorausgesetzt ist. Es erscheint vielmehr schon
zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass jemand sich in scharfer Form gegen
die Veröffentlichung des eigenen Bildes verwahrt, überhaupt geeignet
ist, sich abträglich auf dessen Ehre oder dessen Ansehen auszuwirken.
Auch die ergänzende Erwägung des Kammergerichts, die Äußerung rufe
insgesamt einen falschen Eindruck hervor, indem sie den Kläger als
jemanden darstelle, der auf eine schlichte Anfrage sogleich mit einer
scharfen Drohung reagiere, erweist sich als nicht tragfähig. Der Text
verhält sich ausdrücklich nicht zu dem Wortlaut oder dem Charakter der
Anfrage, sondern teilt lediglich mit, dass der Kläger das Foto nicht
habe freigeben wollen. Das Gericht hat hier insbesondere den
Textzusammenhang nicht hinreichend gewürdigt und insoweit die
verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Deutung in den Schutzbereich des
Art. 5 Abs. 1 GG fallender Äußerungen verfehlt.
Ebenfalls zu beanstanden ist die von den Gerichten vorgenommene Abwägung
zwischen dem ihrer Auffassung nach betroffenen allgemeinen
Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des
Beschwerdeführers. Die Gerichte stellen im Wesentlichen darauf ab, dass
das öffentliche Informationsinteresse an der streitgegenständlichen
Äußerung gering sei. Die Meinungsfreiheit ist jedoch nicht allein unter
dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses geschützt, sondern
gewährleistet primär die Selbstbestimmung des einzelnen
Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der
Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht die Meinungsfreiheit
ihr in eine Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches
Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts
dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar,
wenn die Gerichte dem Kläger vorliegend allein deshalb einen
Unterlassungsanspruch zuerkannt haben, weil dessen allgemeines
Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit
überwiege.
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