Die Verfassungsbeschwerde betrifft Gerichtsentscheidungen, die die im
Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens
Berlin-Schönefeld festgesetzte Entschädigung bei der fluglärmbedingten
Übernahme eines Grundstücks zum Gegenstand haben. Die Beschwerdeführer
bewohnen ein in ihrem Eigentum stehendes Hausgrundstück auf der
Gemarkung von M., das unmittelbar am Flughafenumgriff und im Zentrum der
Einflugschneise der neuen Startbahn Süd des geplanten Flughafens liegt.
Wegen der prognostizierten starken Lärmbelastung haben sie nach den
Entschädigungsregelungen des Planfeststellungsbeschlusses Anspruch auf
Übernahme des Grundstücks durch den Vorhabenträger zum Verkehrswert. Der
Verkehrswert ist nach diesen Regelungen zum Stichtag der Geltendmachung
des Anspruchs zu ermitteln. Die von den Beschwerdeführern erhobene Klage
wurde vom Bundesverwaltungsgericht - nach Abschluss von Musterverfahren
durch Urteile vom 16. März 2006 - ohne mündliche Verhandlung durch
Beschluss vom 2. Juli 2008 abgewiesen. Gegen diesen Beschluss sowie
einen nachfolgenden Anhörungsrügenbeschluss vom 19. August 2008 erhoben
die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde. Sie rügen die Verletzung der
Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG sowie des Anspruchs auf rechtliches
Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Die Eigentumsgarantie verlange, dass die
Höhe der Entschädigung ihres Grundstücks entgegen der Stichtagsregelung
des Planfeststellungsbeschlusses nach dem Verkehrswert ihres Grundstücks
zu einem Zeitpunkt vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses am 13.
August 2004 zu bemessen sei. Die bereits zu diesem Zeitpunkt
eingetretene erhebliche Wertminderung, die ursächlich auf den geplanten
Flughafenausbau zurückzuführen sei, müsse berücksichtigt werden. Anders
als in den mit Urteilen vom 16. März 2006 entschiedenen Musterfällen
habe sich der Verkehrswert ihres Grundstücks zwischen 1996 und 2004
nicht nur um 20 %, sondern um 50 bis 60 % gemindert.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den
Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2008 aufgehoben und
die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Beschluss
verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG kann dagegen nicht festgestellt
werden. Den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2008
über die Anhörungsrüge hat das Bundesverfassungsgericht für
gegenstandslos erklärt.
Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2008 verletzt
das in Art. 14 Abs. 1 GG verankerte Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil er
die Interessen der Beschwerdeführer und die Gemeinwohlinteressen
fehlerhaft gewichtet und daher in keinen angemessenen Ausgleich gebracht
hat. Zwar schützt Art. 14 Abs. 1 GG das Grundeigentum der Anwohner des
geplanten Flughafens nicht vor jedem Wertverlust durch Planungen. Eine
Minderung der Wirtschaftlichkeit ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen
wie eine Verschlechterung der Verwertungsaussichten. Jedoch übersieht
der angegriffene Beschluss, dass der Eigentumsgarantie bei der
Bestimmung von Inhalt und Schranken besonderes Gewicht zukommt, soweit
das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im
vermögensrechtlichen Bereich sichert. Dies gilt insbesondere dann, wenn
ein Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen
bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich
seiner Familie darstellt. In solchen Fällen tritt die Aufgabe der
Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im
vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine
eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, in den
Vordergrund.
Demgegenüber müssen die ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten
Interessen der Vorhabenträger an der Nutzung des Flughafens
zurücktreten, wenn die Betroffenen aufgrund der Festlegung des Stichtags
für die zu zahlende Entschädigung nicht mehr in der Lage sind, sich ein
adäquates Wohngrundstück für sich und ihre Familie leisten zu können.
Dabei mag zwar - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein gewisser
Grundstückswertverlust aufgrund des geplanten Flughafens als Ausdruck
der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmen sein. Die Beschwerdeführer
machen hier jedoch eine Verkehrswertminderung im Ausmaß von 50 bis 60 %
geltend. Von diesem Ausmaß der Verkehrswertminderung ist im vorliegenden
Verfassungsbeschwerdeverfahren auszugehen, weil sie so vom
Bundesverwaltungsgericht, das diesbezüglich auf eine Beweisaufnahme
verzichtet hat, im angegriffenen Beschluss unterstellt worden ist. Eine
solche Verkehrswertminderung würde hier die wegen der Sozialbindung der
Eigentumsgarantie hinzunehmende Verkehrswertminderung übersteigen. Den
Eigentümern von Grundstücken, die mit einem Anspruch auf Übernahme des
Grundstücks zum Verkehrswert entschädigt werden sollen, bleibt nämlich
aufgrund der Unzumutbarkeit der Lärmbelastung faktisch gar nichts
anderes übrig, als ihr Eigentum aufzugeben und sich eine Ersatzwohnung
zu beschaffen. Dieser Zwang zur Ersatzbeschaffung wird nicht dadurch
genommen, dass das Hausgrundstück möglicherweise zu anderen als zu
Wohnzwecken noch genutzt werden könnte.
Ob der verhältnismäßige Ausgleich zwischen dem Eigentumsgrundrecht der
Beschwerdeführer und dem allgemeinen Wohl dadurch hergestellt wird, dass
- wie die Beschwerdeführer fordern - die Grundsätze der
enteignungsrechtlichen Vorwirkungen zumindest im vorliegenden Fall auf
den Übernahmeanspruch angewendet werden oder der erforderliche
Interessenausgleich auf andere Weise gewährleistet wird, kann vorliegend
offen bleiben. Bei der Anwendung der Grundsätze der
enteignungsrechtlichen Vorwirkung bliebe der Anspruch ein
Kompensationsanspruch für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne
von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Daher könnte auch in diesem Fall in
Übereinstimmung mit Art. 14 Abs. 1 GG die aufgrund der Sozialbindung
zumutbare Belastung aufgrund einer entsprechenden Regelung im
Planfeststellungsbeschluss in Abzug gebracht werden.
Eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG konnte das
Bundesverfassungsgericht dagegen nicht feststellen. Dies gilt zunächst
soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG damit
begründen, dass das Bundesverwaltungsgericht nach § 93a Abs. 2 Satz 1
VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat. Denn die
Beschwerdeführer haben nicht hinreichend dargetan, dass die angegriffene
Entscheidung auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruht. Sie haben nicht
aufgezeigt, was sie im Rahmen einer mündlichen Verhandlung weiter
vorgetragen oder welchen zusätzlichen, bislang nicht angebrachten
Beweisantrag sie gestellt hätten.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird ferner nicht dadurch verletzt,
dass das Bundesverwaltungsgericht den Beweisantrag der Beschwerdeführer,
zu ihrer Behauptung einer 50%igen Minderung des Verkehrswertes des
streitbefangenen Grundstücks zwischen 1996 und 2004 Beweis durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben, abgelehnt hat.
Nach der vorliegend zwar gemäß Art. 14 Abs. 1 GG zu beanstandenden, im
Rahmen der Prüfung einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG jedoch
maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts war dieser Beweisantrag nicht erheblich. Art.
103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, dass Vorbringen eines
Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts
unberücksichtigt bleibt.
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