Die Beschwerdeführerin bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung. Der
Rentenversicherungsträger legte bei der Berechnung dieser vor Vollendung
des 60. Lebensjahres gewährten Rente einen gekürzten Zugangsfaktor
zugrunde. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Kürzung Klage beim
Sozialgericht und beantragte Prozesskostenhilfe. Zu diesem Zeitpunkt
waren bereits verschiedene Revisionsverfahren zur gleichen Rechtsfrage
beim Bundessozialgericht anhängig. Den Vorschlag des Gerichts, das
Klageverfahren bis zum Abschluss dieser Revisionsverfahren ruhend zu
stellen, lehnte die Beschwerdeführerin ab. Das Sozialgericht und das
Landessozialgericht lehnten daraufhin die Gewährung von
Prozesskostenhilfe ab. Das Landessozialgericht stellte darauf ab, dass
die Weiterbetreibung des Klageverfahrens mutwillig sei, solange die
Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht anhängig seien.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe erhobene
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat keine
Aussicht auf Erfolg, weil die Fachgerichte die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG
in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden
Anforderungen beachtet haben. Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20
Abs. 3 GG steht einer Besserstellung desjenigen, der seine
Prozessführung nicht aus eigenen Mitteln bestreiten muss und daher im
vorliegenden, sozialgerichtlichen Ausgangsverfahren kein Kostenrisiko
trägt, gegenüber dem Bemittelten, der sein Kostenrisiko abwägen muss,
entgegen. Ein sein Kostenrisiko vernünftig abwägender Bürger, der die
Prozesskosten aus eigenen Mitteln finanzieren muss, wird ein Verfahren
nicht (weiter) betreiben, solange dieselbe Rechtsfrage bereits in
anderen Verfahren in der Revisionsinstanz als unechtes Musterverfahren
anhängig ist. Im Fall einer für ihn positiven Entscheidung des
Revisionsgerichts profitiert er ohne eigenes, weiteres Kostenrisiko vom
Ausgang dieser Verfahren. Bei negativem Prozessausgang der
Revisionsverfahren kann er sein eigenes Verfahren weiter verfolgen. Es
reicht aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach
Ergehen der Musterentscheidung noch alle prozessualen Möglichkeiten
offenstehen, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen. Solange aber
ein Betreiben des eigenen Verfahrens in zumutbarer Weise zurückgestellt
oder ruhend gestellt werden kann, ist es nicht zu beanstanden, wenn die
Fachgerichte davon ausgehen, dass eine anwaltliche Vertretung nicht
erforderlich ist. Waren – wie hier – die unechten Musterverfahren zum
Zeitpunkt der Klageerhebung bereits beim Revisionsgericht anhängig, gilt
dies regelmäßig auch für die Klageerhebung selbst.
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