Mit Beschluss vom 22. Mai 2002 stellte das Niedersächsische
Umweltministerium den Plan für die Errichtung und den Betrieb des
Bergwerks Konrad in Salzgitter als Anlage zur Endlagerung fester oder
verfestigter radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer
Wärmeentwicklung fest. Bei diesen schwach- und mittelradioaktiven
Abfällen handelt es sich z.B. um kontaminierte Schutzkleidung, Werkzeuge
oder Anlagenteile aus Kernkraftwerken, Forschung, Industrie und Medizin.
Hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung bestrahlter
Brennelemente aus Kernkraftwerken sowie bestrahlte Brennelemente selbst
werden dort nicht eingelagert.
Der Beschwerdeführer klagte als Eigentümer eines in der Nähe der
Schachtanlage gelegenen landwirtschaftlichen Anwesens erfolglos gegen
den Planfeststellungsbeschluss. Auch die Beschwerde gegen die
Nichtzulassung der Revision wies das Bundesverwaltungsgericht im März
2007 zurück. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer,
dass die Rechtsgrundlagen des Planfeststellungsbeschlusses im Atomgesetz
und auch die im Ausgangsverfahren ergangenen Entscheidungen des
Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts
verfassungswidrig seien.
Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat keine
grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, weil die maßgeblichen
verfassungsrechtlichen Fragen in der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt sind. Die Annahme der
Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt
bezeichneten Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt, denn sie hat
keine Aussicht auf Erfolg.
Die den Ausgangsentscheidungen zugrunde liegenden Vorschriften des
Atomgesetzes über die Errichtung und den Betrieb eines Bundesendlagers
für radioaktive Abfälle begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken,
soweit sie die hier allein beschwerdegegenständliche Endlagerung von
radioaktiven Abfällen mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung betreffen.
Sie gewährleisten den gleichen Sicherheitsstandard wie die für
Kernkraftwerke und (Standort-) Zwischenlager geltenden Regelungen des
Atomgesetzes, die das Bundesverfassungsgericht bereits für
verfassungsgemäß befunden hat. Daher ist auch in Bezug auf die
Errichtung und den Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle mit
vernachlässigbarer Wärmeentwicklung eine Verletzung der Grundrechte des
Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht
festzustellen.
Insbesondere werden die Grundrechte des Beschwerdeführers in ihrer
Funktion als subjektive Abwehrrechte nicht durch einen im Atomgesetz
geregelten Genehmigungstatbestand verletzt, dessen Voraussetzungen
inhaltlich so gefasst sind, dass es durch die Genehmigung und ihre
Folgen nicht zu Grundrechtsverletzungen kommen darf. Diese Anforderungen
erfüllen aus verfassungsrechtlicher Sicht insbesondere Vorschriften,
denen zufolge die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik
erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen sein muss. Die aus Art. 2
Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG herzuleitende Schutzpflicht des
Gesetzgebers steht solchen Vorschriften grundsätzlich nicht entgegen,
die insoweit ein Restrisiko in Kauf nehmen, als sie Genehmigungen auch
dann zulassen, wenn sich nicht völlig ausschließen lässt, dass künftig
durch das Gebrauchmachen von der Genehmigung ein Schaden auftreten wird.
Aus der staatlichen Schutzpflicht für diese Grundrechte kann darüber
hinaus nicht abgeleitet werden, dass eine nicht-rückholbare Endlagerung
radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung nur
aufgrund einer ausdrücklichen Entscheidung des parlamentarischen
Gesetzgebers für dieses Konzept zulässig wäre. Die Schutzpflicht ist
vielmehr schon dann erfüllt, wenn Vorschriften existieren, die auf
derartige Anlagen anwendbar sind und ausreichenden Schutz vor ihren
Gefahren gewähren.
Die Vorschriften des Atomgesetzes über die Errichtung und den Betrieb
eines Endlagers für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer
Wärmeentwicklung verstoßen auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG (in
Verbindung mit Art. 38 und Art. 20 Abs. 2 GG). Zwar schränkt die der
Exekutive offen stehende Entscheidung für eine nicht-rückholbare
Endlagerung nach deren konzeptioneller Ausgestaltung gegebenenfalls die
künftige politische Handlungsfreiheit in Bezug auf bereits eingelagerte
radioaktive Abfälle ein. Eine Verletzung von Grundrechten des
Beschwerdeführers ergibt sich daraus allerdings nicht.
Eine Verletzung des staatlichen Verfassungsauftrages aus Art. 20a GG ist
- unbeschadet der Frage der Entscheidungsrelevanz im Rahmen der
vorliegenden Grundrechtsprüfung - nicht festzustellen. Dass der
Gesetzgeber den ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraum bei der
Umsetzung des Verfassungsauftrages aus Art. 20a GG überschritten hätte,
ist jedenfalls nicht ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz
des Gesetzesvorbehalts und den Bestimmtheitsgrundsatz liegt nicht vor.
Angesichts der strengen Voraussetzungen, von deren Erfüllung das
Atomgesetz die Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses abhängig
macht, wirft das planfestgestellte Endlagervorhaben
„endlagerungsspezifische“ Fragestellungen nicht in erster Linie im
Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung seiner formalgesetzlichen
Rechtsgrundlagen auf, sondern auf der Rechtsanwendungsebene bei der
Prüfung, ob der atomgesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsstandard
tatsächlich gewährleistet ist.
Die Verfassungsbeschwerde hat auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg,
als sie sich gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 8. März
2006 und gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März
2007 richtet. Ein Verfassungsverstoß ist nicht ersichtlich. Insbesondere
ist die Hinnahme eines nach den Maßstäben praktischer Vernunft nicht
mehr in Rechnung zu stellenden Restrisikos auch insoweit mit den
Grundrechten des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14
Abs. 1 GG vereinbar. Die Fragen, die die Endlagerung radioaktiver
Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung im Hinblick auf die
Langzeitsicherheit aufwirft, betreffen der Sache nach erst in der
(fernen) Zukunft aktuell werdende Szenarien, die keinen Bezug zu einer
gegenwärtigen Betroffenheit des Beschwerdeführers in einem eigenen
verfassungsbeschwerdefähigen Recht erkennen lassen. Ein dem
Beschwerdeführer selbst als Grundrechtsträger zustehendes,
verfasssungsbeschwerdefähiges Grundrecht auf Verhinderung erst nach
seinen Lebzeiten eintretender Gefährdungen für die Umwelt und
nachfolgende Generationen lässt sich weder aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
noch aus sonstigen grundrechtlichen Verbürgungen ableiten.
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt den Beschwerdeführer im
Hinblick auf die Annahme eines exekutiven Funktionsvorbehalts nicht in
seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1
GG. Das Bundesverfassungsgericht hat über die Vereinbarkeit eines
exekutiven Funktionsvorbehalts im Atomrecht mit dem Anspruch auf
effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bislang nicht
entschieden. Dazu gibt auch die vorliegende Verfassungsbeschwerde keinen
Anlass. Denn jedenfalls beruht das angegriffene Urteil nicht auf einem
etwaigen diesbezüglichen Verfassungsverstoß. Das Oberverwaltungsgericht
hat die gerichtliche Kontrolldichte nicht in verfassungswidriger Weise
beschränkt.
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