Die Verfassungsbeschwerde betrifft Gerichtsentscheidungen zu einem
Hausverbot, das eine Wohnungseigentümerversammlung gegen den Besucher
einer Wohnungseigentümerin ausgesprochen hat. Die Wohnungseigentümerin
und Beschwerdeführerin ist an einer schizoaffektiven Psychose erkrankt,
die mit Verhaltensauffälligkeiten in Form von Weinen, Schreien und
Hilferufen einhergeht. Mehrere der übrigen Wohnungseigentümer fühlen
sich seit Jahren durch die Beschwerdeführerin und ihren Lebensgefährten
Herrn R. in ihrer Nachtruhe gestört. Sie fassten in einer
Wohnungseigentümerversammlung den Beschluss, Herrn R. ein Hausverbot zu
erteilen. Die hiergegen von der Beschwerdeführerin eingelegten
Rechtsbehelfe blieben vor dem Amtsgericht Mainz und dem Landgericht
Koblenz erfolglos. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die
Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Eigentumsgrundrechts.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
angegriffenen Gerichtsentscheidungen aufgehoben und die Sache an das
Landgericht Koblenz zurückverwiesen. Die Entscheidungen werden den
verfassungsrechtlichen Anforderungen der Eigentumsgarantie nicht gerecht
(Art. 14 Abs. 1 GG). Das Eigentumsgrundrecht gibt dem Wohnungseigentümer
die Befugnis, die Nutzung seines Wohnungseigentums aufgrund
eigenverantwortlicher Entscheidung selbst zu bestimmen. Das umfasst vor
allem auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob eine Überlassung der
Nutzung an Dritte oder eine gemeinschaftliche Nutzung mit Dritten
erfolgt.
Die Gerichte haben nicht verkannt, dass das Hausverbot im konkreten Fall
nicht als Ausprägung des Hausrechts der Wohnungseigentümer zulässig ist.
Denn es bezieht sich nicht nur auf den Aufenthalt im
Gemeinschaftseigentum, zum Beispiel im Treppenhaus oder im
Eingangsbereich, sondern auf das Sondereigentum der Beschwerdeführerin.
Für dieses steht ihr das Hausrecht allein zu.
Das beschlossene Hausverbot stellt vielmehr die Geltendmachung eines
Anspruchs auf Unterlassung des Betretens und Verweilens in der Wohnung
der Beschwerdeführerin dar (§ 1004 BGB). Folgerichtig untersuchen die
Gerichte deshalb, ob ein rechtfertigender Grund für ein solches
Hausverbot vorliegt. Sie stellen bei ihrer Prüfung allerdings lediglich
darauf ab, dass Herr R. die einzige Kontaktperson der psychisch
erkrankten Beschwerdeführerin sei und dass demgegenüber das Recht der
übrigen Wohnungseigentümer auf ungestörte Nachtruhe schwerer wiege. Der
Eingriff in das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht der
Beschwerdeführerin hinsichtlich der Nutzung ihres Sondereigentums und
der Bestimmung des Zutritts zu ihm wird von den Gerichten hingegen nicht
berücksichtigt. Das Amtsgericht weist nur pauschal darauf hin, dass kein
unzulässiger Eingriff in das Sondereigentum der Beschwerdeführerin
vorliege, weil eine störende Nutzungsart nicht vom Sondereigentum
gedeckt sei. Von den Gerichten wird nicht erwogen, dass auch eine
störende Nutzung im Hinblick auf die Eigentumsgarantie hinzunehmen sein
kann.
Die Gerichte haben zudem außer Acht gelassen, dass der Konflikt zwischen
der für die Beschwerdeführerin streitenden Eigentumsgarantie und dem
ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht der übrigen
Wohnungseigentümer auf ungestörte Nutzung ihres eigenen
Wohnungseigentums nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz
fallbezogen zu lösen ist. Er fordert, dass nicht eine der
widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird,
sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren. Die
fallbezogene Prüfung, ob der Ausspruch des Hausverbots zur Durchsetzung
der Grundrechte der übrigen Eigentümer erforderlich war oder ob mildere
Mittel ausgereicht hätten, das störende Verhalten zu beseitigen, haben
die Gerichte aber nicht vorgenommen. Es ist nicht einmal ersichtlich, ob
die Wohnungseigentümer Herrn R. zur Einhaltung der nächtlichen Ruhe
aufgefordert haben. Erst wenn eine solche Aufforderung ohne Erfolg
geblieben ist und aufgrund der psychischen Erkrankung der
Beschwerdeführerin andere Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, kann ein
Hausverbot nach verfassungsrechtlichen Maßstäben in Betracht kommen,
wobei dann eine Beschränkung auf die nächtliche Ruhezeit nahe liegt.
Dementsprechend geht einfachrechtlich der Anspruch aus § 1004 BGB auch
nur auf Unterlassung der Störung und nicht auf das Verbot eines
bestimmten Verhaltens. Dem Störer muss grundsätzlich selbst überlassen
bleiben, welche Mittel er einsetzt, um den Anspruch zu erfüllen. Etwas
anderes kann allenfalls dann gelten, wenn lediglich eine konkrete
Handlung oder Unterlassung geeignet ist, das störende Verhalten
abzustellen. Die Wohnungseigentümer konnten Herrn R. deshalb
grundsätzlich nur auf das Unterlassen unzumutbarer Lärmbelästigungen in
Anspruch nehmen, nicht jedoch von ihm verlangen, die Wohnung der
Beschwerdeführerin nicht mehr zu betreten.
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