Am 1. August 2009 trat in Bayern die Novellierung des
Gesundheitsschutzgesetzes (GSG) in Kraft, in dem unter anderem der
Anwendungsbereich des Rauchverbots und die Ausnahmeregelungen geändert
worden sind. In der geänderten Fassung findet das Rauchverbot auf alle
Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes Anwendung; die bisherige
Einschränkung des Anwendungsbereichs auf öffentlich zugängliche
Gaststätten wurde gestrichen. Gleichzeitig ist Gaststätteninhabern die
Möglichkeit eröffnet worden, in vollständig abgetrennten Nebenräumen das
Rauchen zuzulassen, wenn diese Räume deutlich als Raucherräume
gekennzeichnet sind und die Belange des Nichtraucherschutzes dadurch
nicht beeinträchtigt werden. Außerdem gibt es nach dem neuen Gesetz zwei
Ausnahmen vom Rauchverbot: Es gilt nicht mehr in Bier-, Wein- und
Festzelten, die nur vorübergehend und in der Regel an wechselnden
Standorten betrieben werden, sowie in vorübergehend als Festzelten
genutzten ortsfesten Hallen auf Volksfesten und vergleichbar großen
Veranstaltungen. Ferner nimmt das neue Gesetz getränkegeprägte
Gaststätten mit weniger als 75 m˛ Gastfläche und ohne abgetrennten
Nebenraum von dem Verbot aus, wenn Kindern und Jugendlichen der Zutritt
nicht gestattet ist und die Gaststätten am Eingangsbereich in deutlich
erkennbarer Weise als Rauchergaststätten gekennzeichnet sind, zu denen
Minderjährige keinen Zutritt haben.
Die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat eine
Verfassungsbeschwerde einer Gaststätteninhaberin, die eine als „Pilsbar“
bezeichnete Zweiraumgaststätte betreibt, nicht zur Entscheidung
angenommen. Die Beschwerdeführerin ist durch die novellierten
Bestimmungen des Gesundheitsschutzgesetzes nicht in ihrem Grundrecht auf
freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Die maßgeblichen
verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Im Urteil (1 BvR 3262/07
u.a.) vom 30. Juli 2008 hat der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts entschieden (vgl. Pressemitteilung Nr. 78/2008
vom 30. Juli 2008), dass der Schutz der Bevölkerung vor den
Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen ein Gemeinwohlziel darstellt,
das auf vernünftigen Erwägungen beruht und daher grundsätzlich
Beschränkungen der Berufsfreiheit von Gastwirten legitimieren kann.
Ebenso ist es dem Gesetzgeber aufgrund des ihm zukommenden
Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums nicht verwehrt, das
Ziel des Schutzes der Gesundheit vor Passivrauchen angesichts der
gegenläufigen Interessen der Gaststättenbetreiber und der Raucher mit
Hilfe eines Schutzkonzeptes zu verfolgen, das den Gesundheitsschutz
weniger stringent verfolgt als ein striktes Rauchverbot.
Mit der Schaffung von Ausnahmeregelungen für kleine, getränkegeprägte
Einraumgaststätten und die Zeltgastronomie sowie der Möglichkeit,
Rauchernebenräume einzurichten, hat der bayerische Gesetzgeber nun sich
für ein solches weniger intensives Schutzkonzept entschieden. Dieses
Konzept hat er auch folgerichtig umgesetzt, weil er die spezifischen
nachteiligen Auswirkungen des Rauchverbots auf die getränkegeprägte
Kleingastronomie berücksichtigt hat. Insbesondere bleibt es Inhabern von
Mehrraumgaststätten unbenommen, einen Rauchernebenraum einzurichten.
Selbst wenn das Rauchverbot im konkreten Fall trotz der möglichen
Einrichtung eines Raucherraums wegen des besonderen Gepräges der
Gaststätte zu einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen
Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin führen könnte, wäre dies eine
einzelne Sonderkonstellation, die den Gesetzgeber nicht zu einer
weiteren Ausnahme zwingt.
Soweit der Gesetzgeber getränkegeprägte Einraumgaststätten und die
Zeltgastronomie vom Rauchverbot ausgenommen hat, nicht aber sämtliche
überwiegend von Rauchern besuchten oder als „Raucherkneipen“
deklarierten Gaststätten, stehen dem Gesetzgeber hinreichende sachliche
Gründe für diese Differenzierung zur Seite.
Im Hinblick auf die Zeltgastronomie hat sich der Gesetzgeber davon
leiten lassen, dass Bier-, Wein- und Festzelte dadurch charakterisiert
sind, dass sie nur wenige Tage oder Wochen im Jahr an einem festen
Standort aufgestellt sind und daher nicht in gleichem Maß
Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen verursachen wie ortsfeste
Gaststätten, die ganzjährig besucht werden können. Es dürfte zwar
zutreffen, dass Veranstaltungen in Festzelten aufgrund ihrer
gesellschaftlichen Bedeutung typischerweise auch eine große Zahl von
Nichtrauchern anziehen. Wenn der Gesetzgeber die vom Passivrauchen bei
solchen Gelegenheiten ausgehenden gesundheitlichen Gefahren gleichwohl
wegen der beschränkten Standzeit solcher Zelte als hinnehmbar
einschätzt, überschreitet er damit nicht den ihm zukommenden
Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum.
Bei den Ausnahmen vom Rauchverbot für kleine Einraumgaststätten hat sich
der Gesetzgeber davon leiten lassen, dass dieser Bereich des
Gaststättengewerbes durch ein Rauchverbot typischerweise besonders
belastet ist. Dabei stellt sich die Grenze von 75 m2 nicht als
willkürlich dar, denn sie geht auf eine Vereinbarung zwischen dem
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und dem
Bundesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes vom 1. März
2005 zurück. Auch die damit verbundene pauschale Grenzziehung ist nicht
zu beanstanden. Weil Praktikabilität und Einfachheit des Rechts zu den
notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs
gehören, ist der Gesetzgeber befugt, auch generalisierende und
typisierende Regelungen zu treffen.
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