Der Beschwerdeführer besitzt die deutsche und die griechische
Staatsangehörigkeit. Wegen des Verdachts der Bestechung im
geschäftlichen Verkehr sowie Geldwäsche haben die griechischen Behörden
auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls um seine Festnahme zur
Sicherung der Auslieferung nach Griechenland ersucht. Im Anschluss an
die vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers erklärte das
Oberlandesgericht seine Auslieferung für zulässig und die
Generalstaatsanwaltschaft entschied, seine Auslieferung zu bewilligen.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der Beschwerdeführer gegen
die beiden Entscheidungen.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers angenommen, soweit dieser
eine Verletzung seines aus Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden
Grundrechts auf Schutz vor Auslieferung rügt. Die Entscheidungen
begründen einen Verfassungsverstoß und wurden aufgehoben. Damit ist über
die Auslieferung nicht endgültig entschieden. Vielmehr sind die
zuständigen Stellen zu einer neuen Entscheidung aufgerufen. Die Kammer
beanstandet nicht prinzipiell die Auslieferung eines deutschen
Staatsangehörigen nach Griechenland auf der Grundlage eines Europäischen
Haftbefehls, sie sieht lediglich einen Bestimmtheits- und
Abwägungsmangel in den die Auslieferung erlaubenden Entscheidungen.
In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die
grenzüberschreitenden europäischen Strafverfolgungsinteressen mit dem
Schutzanspruch der betroffenen Grundrechtsträger aus Art. 16 Abs. 2 Satz
1 GG jeweils in Ausgleich gebracht werden müssen. Zu dieser
grundrechtlichen Gewährleistung zählen vor allem hohe Anforderungen an
die Rechtssicherheit im innerstaatlichen Auslieferungsverfahrensrecht.
Für die Frage der Rechtsicherheit im Auslieferungsverfahren ist im
vorliegenden Fall maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Auslieferung
für Taten, bei der auch die deutsche Gerichtsbarkeit begründet ist, nur
dann erfolgen kann, wenn die Verfolgung nach deutschem Recht noch nicht
verjährt ist. Laufende Verjährungsfristen können zwar durch
Ermittlungsmaßnahmen unterbrochen werden, deutsche
Strafverfolgungsbehörden hatten aber derlei Maßnahmen nicht vorgenommen.
Ermittelt hatten lediglich die griechischen Behörden.
Entscheidend für die Verletzung des Grundrechts auf Schutz vor
Auslieferung ist, dass sich das Oberlandesgericht und die
Generalstaatsanwaltschaft nicht darauf beschränken durften zu prüfen, ob
auch Strafverfolgungsmaßnahmen griechischer Behörden „ihrer Art nach“
geeignet wären, die Verjährung nach deutschen Rechtsvorschriften zu
unterbrechen. Vielmehr hätten die deutschen Stellen - unter
Zugrundelegung der grundrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen im
Auslieferungsverfahren - die Unsicherheiten und Unwägbarkeiten
berücksichtigen müssen, die mit derartigen rechtsordnungsübergreifenden
Vergleichsüberlegungen notwendigerweise einhergehen. Denn neben den
fremdsprachlichen Schwierigkeiten wirkt sich vor allem als
grundrechtsrelevante Unsicherheit aus, dass die strafprozessualen
Vorschriften und Verfahrensweisen in jedem EU-Mitgliedstaat
unterschiedlich ausgestaltet sind. Diese Erwägungen gelten auch für das
Europäische Haftbefehlsverfahren. Dieses Verfahren vereinfacht die
Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
innerhalb eines zusammenwachsenden Wirtschafts- und Rechtsraumes. Es
erlaubt aber auch jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union, im Falle
innerstaatlicher Verfolgungsverjährung die Auslieferung seiner
Staatsangehörigen zu verweigern. Mit der offenen Frage, ob und inwieweit
ausländische Verfahrenshandlungen Wirkung auf den Lauf der Verjährung
innerhalb der deutschen Rechtsordnung haben, hat sich insbesondere die
angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht hinreichend
auseinandergesetzt, vor allem nicht im Hinblick auf die Bestimmtheit der
gesetzlichen Grundlage.
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