Der Beschwerdeführer zu 1) wurde vom Landgericht Frankfurt am Main im
Februar 1992 wegen Mordes in drei Fällen sowie wegen versuchten Mordes
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Der
Beschwerdeführer zu 2) wurde - ebenfalls vom Landgericht Frankfurt am
Main - wegen Vergewaltigung in vier Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Bei
beiden Beschwerdeführern ordnete das Gericht neben der Strafe die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB an.
Das Gericht prüfte zwar jeweils eine sich an die Vollstreckung der
Strafe anschließende Sicherungsverwahrung, sah aber von der Anordnung
ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der
nachträglichen Sicherungsverwahrung waren zum Zeitpunkt der Verurteilung
noch nicht geschaffen. Zunächst wurde bei beiden Beschwerdeführern die
Freiheitsstrafe vollstreckt und anschließend weiter die Unterbringung
vollzogen. Diese wurde dann gemäß § 67d Abs. 6 StGB für erledigt
erklärt, weil die Anordnung der Unterbringungen von Anfang nicht
gerechtfertigt gewesen sei. In der Folge ordnete das Landgericht
Frankfurt am Main wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die
Beschwerdeführer erneut den damaligen Delikten vergleichbare Straftaten
begehen werden, nachträglich gemäß § 66b Abs. 3 StGB eine
Sicherungsverwahrung an. Die dagegen eingelegten Revisionen verwarf der
Bundesgerichtshof. Die Beschwerdeführer machen mit ihrer
Verfassungsbeschwerde die Verfassungswidrigkeit von § 66b Abs. 3 StGB
geltend.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. § 66b Abs. 3
StGB ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Die Norm verstößt nicht gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Insofern gilt
nichts anderes als im Hinblick auf die Vorschriften des § 66b Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 und Abs. 1 Satz 2 StGB (vgl. BVerfGK 9, 108 sowie
Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2008 - 2 BvR
749/08 -, juris). Die enge Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 66b
Abs. 3 StGB gewährleistet, dass die Maßnahme der nachträglichen
Anordnung der Sicherungsverwahrung auch auf dieser Grundlage nur in
besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt, daher auf einige wenige
Verurteilte beschränkt bleibt und somit als verhältnismäßige Regelung
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Ebenso ist das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 2,
Art. 20 Abs. 3 GG) nicht verletzt. Das gilt insbesondere auch in so
genannten „Altfällen“, in denen - wie in den Fällen der Beschwerdeführer
- sowohl die Anlasstaten als auch die darauf folgenden Verurteilungen
vor Inkrafttreten der Norm stattgefunden haben.
Allerdings kann § 66b Abs. 3 StGB zu einer - verfassungsrechtlich nur
ausnahmsweise zulässigen - Rückbewirkung von Rechtsfolgen führen; denn
in Verbindung mit § 67d Abs. 6 StGB eröffnet die Vorschrift den
Gerichten in „Altfällen“ unter bestimmten Umständen die Möglichkeit,
rechtskräftig festgesetzte Rechtsfolgen nachträglich abzuändern. Das
gilt namentlich dann, wenn die nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung ausschließlich oder im Wesentlichen auf der
Grundlage von Tatsachen erfolgt, die bereits zum Zeitpunkt der
ursprünglichen Entscheidung - mit der die Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung, obwohl möglich, abgelehnt wurde - dem Tatrichter
bekannt oder für ihn erkennbar waren. § 66b Abs. 3 StGB setzt nach
seinem Wortlaut neue, also erst nach der letzten mündlichen Verhandlung
in der Tatsacheninstanz entstandene Tatsachen nicht voraus und erlaubt
es daher auch in solchen Fällen, die Sicherungsverwahrung nachträglich
anzuordnen. Daran ändert auch das Erfordernis einer vorhergehenden
Erledigungserklärung nach § 67d Abs. 6 StGB nichts. Denn in
Rechtsprechung und Literatur wird in Einklang mit der Gesetzesbegründung
ganz überwiegend davon ausgegangen, dass es für die Frage der Erledigung
nicht darauf ankommt, ob die Maßregelvoraussetzungen nachträglich
weggefallen sind oder von Anfang an nicht vorgelegen haben.
Das Rechtsstaatsprinzip, hier in Verbindung mit dem Freiheitsgrundrecht,
steht einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen jedoch nur entgegen, soweit
diese sich zum Nachteil eines betroffenen Grundrechtsträgers auswirkt.
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3
in Verbindung mit § 67d Abs. 6 StGB bringt verfassungsrechtlich
relevante Nachteile jedoch nur in begrenztem Ausmaß mit sich. Der Große
Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat in seiner Entscheidung
zu § 66b Abs. 3 StGB (Beschluss vom 7. Oktober 2008 - GSSt 1/08, NStZ
2009, S. 141) zutreffend betont, dass es im Falle des § 66b Abs. 3 StGB
nicht um die erstmalige Anordnung einer zeitlich nicht begrenzten
freiheitsentziehenden Maßnahme, sondern im Kern um die Überweisung von
einer derartigen Maßnahme (der Unterbringung im psychiatrischen
Krankenhaus) in eine andere geht, wobei verschärfte
Anordnungsvoraussetzungen eingreifen.
Dennoch verbleibende Nachteile werden jedenfalls von den mit dem Gesetz
verfolgten überragenden Interessen des Gemeinwohls überwogen; denn diese
können auch eine Durchbrechung des grundsätzlichen rechtsstaatlichen
Verbotes der rückwirkenden Änderung von Rechtsfolgen rechtfertigen. Das
mit der Neuregelung vom Gesetzgeber verfolgte Ziel eines effektiven
Schutzes der Allgemeinheit vor einzelnen hochgefährlichen Straftätern
stellt auch ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Es ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die
Vertrauensschutzbelange der von der Neuregelung betroffenen Verurteilten
hinter diesem Gemeinwohlinteresse zurücktreten müssen.
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