Im Januar 2006 wurde auf der BAB 19 in Fahrtrichtung Rostock von der
Ordnungsbehörde eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Die
Videoaufzeichnung erfolgte mit dem Verkehrskontrollsystem Typ VKS. Dem
Beschwerdeführer, der an diesem Tag mit seinem Pkw auf dieser Strecke
fuhr, wird vorgeworfen, er habe bei km 98,6 fahrlässig die zulässige
Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) außerhalb geschlossener Ortschaften um
29 km/h überschritten. Deshalb wurde gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von
50 Euro festgesetzt. Die eingelegten Rechtsmittel gegen den
Bußgeldbescheid, mit denen der Beschwerdeführer insbesondere rügte, dass
die Video-Aufzeichnung des Verkehrsverstoßes mangels konkreten
Tatverdachts ohne ausreichende Rechtsgrundlage angefertigt worden sei,
hatten keinen Erfolg. Als ausreichende Rechtsgrundlage für die
vorgenommene Geschwindigkeitsmessung wurde von den Gerichten der Erlass
zur Überwachung des Sicherheitsabstandes nach § 4 StVO des
Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1999
angesehen.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, soweit sie zulässig ist,
zur Entscheidung angenommen, das Urteil des Amtsgerichts Güstrow und den
Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock aufgehoben und die Sache zur
erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Güstrow zurückverwiesen. Die
Rechtsauffassung der Gerichte, die den Erlass des
Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern als Rechtsgrundlage für
den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
herangezogen haben, ist unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar. Sie
ist insofern willkürlich und verstößt gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann zwar im
überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden. Eine solche
Einschränkung bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage, die dem
rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und
verhältnismäßig ist. Der als Rechtsgrundlage herangezogene Erlass des
Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern, stellt aber keine
geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in dieses Recht dar. Bei dem
Erlass handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift und damit um eine
verwaltungsinterne Anweisung. Mit Verwaltungsvorschriften wirken
vorgesetzte Behörden auf ein einheitliches Verfahren oder eine
einheitliche Gesetzesanwendung der untergeordneten Behörden hin. Sie
sind kein Gesetz im Sinn des Art. 20 Abs. 3 sowie des Art. 97 Abs. 1 GG
und können nur Gegenstand, nicht Maßstab der richterlichen Kontrolle
sein.
Es kommt daher nur eine Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten
Entscheidung über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in Betracht.
Denn die angegriffenen Gerichtsentscheidungen beruhen auf dem
festgestellten Verfassungsverstoß, da nicht mit Sicherheit
ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte im Fall ordnungsgemäßer
Prüfung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gelangt
wären. Nach den allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen, die über § 46
Abs. 1 OWiG auch im Bußgeldverfahren sinngemäß anwendbar sind, kann aus
einem Beweiserhebungsverbot auch ein Beweisverwertungsverbot folgen.
Dieses ist mangels gesetzlicher Regelung anhand einer Betrachtung der
jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Es erscheint
zumindest möglich, dass die Fachgerichte einen Rechtsverstoß annehmen,
der ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.
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