Der Kläger des Ausgangsverfahrens wurde vom Kreiswehrersatzamtes Köln
zum 1. Oktober 2008 zur Ableistung des Wehrdienstes einberufen. Nach
erfolglosem Widerspruch erhob er Klage beim Verwaltungsgericht Köln.
Dieses ordnete im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die
aufschiebende Wirkung der Klage an und legte dem
Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob die allgemeine Wehrpflicht
gemäß § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 21 WPflG mit dem
Grundsatz der Wehrgerechtigkeit vereinbar sei.
Die Vorlage ist nach der Entscheidung der 1. Kammer des Zweiten Senats
des Bundesverfassungsgerichts unzulässig. Sie entspricht nicht den
Anforderungen an die Darlegung der Überzeugung des vorlegenden Gerichts
von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen.
Der Vorlagebeschluss erörtert nicht in der gebotenen Weise die
grundlegende Frage, welche Bezugsgrößen für die Beurteilung, ob das
Gebot der Wehrgerechtigkeit als Ausprägung des Gleichheitssatzes aus
Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist, heranzuziehen sind. In Betracht kommt
einerseits, die Zahl derjenigen, die tatsächlich Wehrdienst leisten, der
Zahl derer gegenüber zu stellen, die nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen für den Wehrdienst zur Verfügung stehen (sog. Innenwirkung
des Gebots der Wehrgerechtigkeit). Andererseits ist es möglich, die Zahl
der tatsächlich zum Wehrdienst Einberufenen ins Verhältnis zur Zahl
aller Männer eines Geburtsjahrgangs zu setzen (sog. Außenwirkung des
Gebots der Wehrgerechtigkeit). Das Verwaltungsgericht geht davon aus,
dass die Wehrgerechtigkeit verletzt ist, wenn gegenwärtig nur noch jeder
fünfte Mann eines Jahrgangs zum Wehrdienst einberufen werde. Damit
stellt es auf die Außenwirkung des Gebots der Wehrgerechtigkeit ab, ohne
darzulegen, aus welchen Gründen es von Verfassungs wegen auf diese
Sichtweise ankommt. Einer eingehenden Darlegung hätte es auch deshalb
bedurft, weil das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19.
Januar 2005 die gegenteilige Auffassung im Einzelnen begründet hat.
Das Verwaltungsgericht setzt sich nicht damit auseinander, dass die
Wehrpflicht auch durch diejenigen wehrdienstfähigen Wehrpflichtigen
erfüllt wird, die den Zivildienst ableisten. Die Frage, ob der Grundsatz
der Pflichtengleichheit nur jeweils innerhalb der
Wehrdienstverpflichtung und des Ersatzdienstes oder aber auch im
Verhältnis zwischen beiden Anwendung findet, wird nicht erörtert. Soweit
das Verwaltungsgericht ausführt, es könne nicht unbegrenzt in der Macht
des Gesetzgebers stehen, eine Lücke zwischen der Zahl der für die
Bundeswehr verfügbaren und der Zahl der tatsächlich einberufenen
Wehrpflichtigen durch sachgerechte Neuregelungen der
Verfügbarkeitskriterien und Erweiterung der Wehrdienstausnahmen zu
schließen, genügen die pauschalen Ausführungen ebenfalls nicht den
Begründungsanforderungen. Die Frage, ob sich eine Verfassungswidrigkeit
der gegenwärtigen Rechtslage aus dem Summierungseffekt mehrerer, jeweils
für sich gerechtfertigter, aber eventuell sich zu einer nicht mehr
hinnehmbaren Ungleichbehandlung addierender Einzelregelungen ergeben
könnte, wird in der Vorlage nicht vertieft. Hierzu hätte es einer
eingehenden Würdigung der einzelnen Wehrdienstausnahmen,
Befreiungstatbestände und Zurückstellungsgründe sowie der
Verfügbarkeitskriterien und - im Wege einer Gesamtschau - der Prüfung
der Auswirkungen des Zusammenwirkens sämtlicher Einzelregelungen auf das
Gebot der Wehrgerechtigkeit bedurft. Das Verwaltungsgericht hätte auch
verfassungsimmanente Grenzen des Gebots der Wehrgerechtigkeit - etwa im
Hinblick auf veränderte Anforderungen an die Verteidigungsbereitschaft
vor dem Hintergrund der Integration der Bundesrepublik Deutschland in
transnationale Sicherheitssysteme - zu würdigen gehabt.
Soweit sich das Verwaltungsgericht darauf beruft, die Gesetzeslage habe
sich seit 2004 in einer die Verfassungswidrigkeit herbeiführenden Weise
verändert, fehlt es an einem Vergleich der aktuellen mit den bis zum 30.
September 2004 geltenden Bestimmungen, die das Verwaltungsgericht für
verfassungsgemäß hält. In der Vorlage wird unter anderem nicht
dargestellt, welche Auswirkungen die mit dem Zweiten
Zivildienständerungsgesetz vom 27. September 2004 eingefügte
Befreiungsmöglichkeit für verheiratete Wehrpflichtige, die Streichung
des Verwendungsgrades T 3 sowie die Absenkung des
Einberufungshöchstalters auf die Wehrgerechtigkeit haben. Das
Verwaltungsgericht hat ferner nicht erläutert, wie es die Gruppe der
sich als Soldaten auf Zeit oder Offiziersanwärter verpflichtenden
Angehörigen eines Geburtsjahrgangs bewertet. Auch auf die nicht
unbeachtliche Zahl derjenigen, die einen unter den sogenannten externen
Bedarf fallenden Dienst - etwa im Zivil- und Katastrophenschutz oder im
Vollzugsdienst der Polizei oder Bundespolizei - leisten, wird in der
Vorlage nicht hinreichend eingegangen.
weitere Pressemitteilungen
|