Der Beschwerdeführer wurde am 14. November 2007 wegen Verdachts des
unerlaubten Führens einer Schusswaffe und der gefährlichen
Körperverletzung vorläufig festgenommen und befindet sich seither
aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 15.
November 2007 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Am 31. März 2008
wurde der Beschwerdeführer wegen dieser Delikte zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Gleichzeitig wurde der Haftbefehl aufrechterhalten. Der Beschwerdeführer
legte gegen das Urteil am 4. April 2008 Berufung ein. Der Vorsitzende
des Schöffengerichts verfügte die Zustellung des Urteils am 21. April
2008 an den Verteidiger und die Vertreterin der Nebenklägerin; diese
wurde am 20. Mai 2008 ausgeführt. Am 4. Juni 2008 wurde die
Aktenübersendung an die Staatsanwaltschaft verfügt, die dort am 20. Juni
2008 eingingen. Die Staatsanwaltschaft legte dem Landgericht
Mönchengladbach am 26. Juni 2008 die Berufung vor. Die Hauptverhandlung
im Berufungsverfahren, in der die Berufung verworfen und der Haftbefehl
wiederum aufrecht erhalten wurde, fand am 27. Januar 2009 statt. Über
die am 3. Februar 2009 eingelegte Revision ist noch nicht entschieden.
Gegen die Haftfortdauer hat der Beschwerdeführer, nach erfolgloser
Haftbeschwerde, Verfassungsbeschwerde erhoben.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die
zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen, soweit sie
sich gegen die Anordnung der Haftfortdauer richtet. Dem in Haftsachen
gebotenen Beschleunigungsgrundsatz wurde bei den zugrundeliegenden
Entscheidungen keine Rechnung getragen.
Die angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts und des
Oberlandesgerichts lassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung
zwischen dem Freiheitsanspruch des Beschuldigten und dem staatlichen
Strafverfolgungsanspruch nicht erkennen und waren daher aufzuheben. Bei
der bei einer erneuten Entscheidung vorzunehmenden Abwägung über die
Haftfortdauer wird das Oberlandesgericht zu berücksichtigen haben, dass
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der
Dauer der Untersuchungshaft die Anforderungen an die Zügigkeit der
Arbeit in einer Haftsache zunehmen. Im Rahmen der Abwägung zwischen dem
Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsanspruch kommt es auf die
durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer
an, wobei mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft höhere
Anforderungen an das Vorliegen eines sie rechtfertigenden Grundes zu
stellen sind. Dies bedingt eine auf den Einzelfall bezogene Analyse des
Verfahrensablaufs.
Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung
können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei
erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden
Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon
lang andauernden Untersuchungshaft herangezogen werden. Es ist nicht
entscheidend, ob eine einzelne verzögert durchgeführte
Verfahrenshandlung ein wesentliches Ausmaß annimmt, sondern ob die
vorliegenden Verfahrensverzögerungen in ihrer Gesamtheit eine Schwelle
erreichen, die im Rahmen der Abwägung die Anordnung einer weiteren
Fortdauer der Untersuchungshaft nicht mehr erlaubt.
Nach diesen Maßstäben muss das Oberlandesgericht den Verfahrensgang
bewerten. Dabei wird es im vorliegenden Fall zu berücksichtigen haben,
dass das Verfahren nach der Abfassung des erstinstanzlichen Urteils
nicht ausreichend gefördert wurde. Insbesondere der Zeitraum zwischen
der Anordnung und tatsächlichen Zustellung des amtsgerichtlichen Urteils
sowie die späte Zuleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft deuten
darauf hin, dass das Verfahren von Geschäftsstelle und Kanzlei des
Amtsgerichts wie ein Strafverfahren gegen einen auf freiem Fuß
befindlichen Angeklagten behandelt und den besonderen Anforderungen an
die Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen nicht Rechnung getragen
wurde. Weitere vermeidbare Verfahrensverzögerungen könnten bei der
Bearbeitung durch das Berufungsgericht entstanden sein. Ein sachlicher
Grund dafür, dass zwischen Akteneingang beim Landgericht am 26. Juni
2008 und dem Hauptverhandlungstermin am 27. Januar 2009 ein Zeitraum von
sieben Monaten lag, lässt sich jedenfalls den Verfahrensakten nicht
entnehmen.
Die gegen den Haftbefehl selbst gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde
dagegen nicht zur Entscheidung angenommen und von einer Begründung
insoweit abgesehen.
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