Der Antragsteller ist wegen eines von ihm begangenen Tötungsverbrechens,
bei dem er Teile seines Opfers verspeiste, in der Öffentlichkeit als der
"Kannibale von Rotenburg" bekannt. Mit Urteil vom Mai 2006 rechtskräftig
seit Februar 2007 wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe
verurteilt, die er derzeit verbüßt. Der Antragsteller hat in einem
Zivilprozess versucht zu verhindern, dass ein den realen Gegebenheiten
nachempfundender Kinofilm über sein Leben und seine Tat gezeigt wird,
dessen deutsche Uraufführung alsbald vorgesehen ist. Er beabsichtigt,
das in letzter Instanz zu seinen Ungunsten ergangene Urteil des
Bundesgerichtshofs mit der Verfassungsbeschwerde anzugreifen, sobald ihm
die schriftlichen Entscheidungsgründe vorliegen.
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat seinen
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der im
Ausgangsverfahren beklagten Produktionsgesellschaft die Vorführung und
anderweitige Verwertung des Spielfilms vorläufig untersagt werden soll,
abgelehnt. Zwar kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen
Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur
Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus
einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Vorliegend lassen die Ausführungen des Antragstellers einen hinreichend
gewichtigen Nachteil durch die bei Nichterlass der begehrten
einstweiligen Anordnung zu erwartende Vorführung des Films "Rohtenburg"
aber nicht erkennen.
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass der Film seine Biografie
und seine Tat unter Wiedergabe zahlreicher zutreffender Details auch aus
seinem Intimleben abbilde, liegt hierin schon deshalb kein schwerer
Nachteil, weil nicht zuletzt wegen des eigenen Verhaltens des
Antragstellers gegenüber den Medien davon auszugehen ist, dass diese
Informationen einer breiten Öffentlichkeit ohnehin bereits bekannt und
auch noch aktuell bewusst sind. Dasselbe gilt für die vom Antragsteller
befürchtete Verletzung seines Rechts am eigenen Bild. Es ist nicht
erkennbar, dass die Vorführung eines Filmes - in dem der Antragsteller
durch einen ihm ähnlich sehenden Schauspieler dargestellt wird - ihn
schwer in rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigen könnte,
nachdem er selbst freimütig an der Veröffentlichung von ihn zeigenden
Fotos in der Presse mitgewirkt hat und auch ein Buch autorisiert hat,
das auf dem Umschlag eine Portraitaufnahme des Antragstellers trägt.
Soweit der Antragsteller außerdem anführt, dass das Drehbuch des Films
trotz seiner großen Realitätsnähe einzelne Darstellungen enthalte, die
unzutreffend seien, zeigt auch dies keinen besonders schweren Nachteil
auf. Bei den in der Antragsschrift genannten Fehldarstellungen handelt
es sich um lediglich geringfügige Abweichungen von der Wirklichkeit, die
eine gegenüber der Wiedergabe der wahren Umstände gesteigerte
Rufbeeinträchtigung nicht befürchten lassen. Schließlich liegt auch in
der vom Antragsteller gerügten Aufbereitung seiner Lebensgeschichte mit
den Mitteln eines Horrorfilms jedenfalls kein den Erlass einer
einstweiligen Anordnung rechtfertigender schwerer Nachteil. Zwar mag der
Einsatz der genretypischen Stilmittel dazu führen, dass der
Antragsteller durch die Kinozuschauer als eine Person wahrgenommen wird,
die monströse, furchteinflößende Persönlichkeitszüge trägt. Indes ist zu
berücksichtigen, dass bereits ein neutraler Bericht über die
beispiellose Tat des Antragstellers geeignet wäre, derartige Reaktionen
auszulösen. Der Wunsch des Antragstellers, dass seine Tat nur behutsam
und unter sachlicher Würdigung ihrer Beweggründe dargestellt werden
möge, vermag das Fehlen eines schweren Nachteils nicht zu kompensieren.
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