Der Beschwerdeführer beantragte einen Bauvorbescheid über die
Zulässigkeit der Nutzung einer in Mannheim gelegenen Wohnung zum Zweck
der Wohnungsprostitution. Dieser Antrag wurde von der Baurechtsbehörde
abgelehnt, weil die Wohnung in einem Sperrbezirk liege. Auch die Klage,
mit der der Beschwerdeführer geltend machte, dass das Gesetz zur
Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten von Dezember 2001
die Prostitution vom Makel der Sittenwidrigkeit befreit habe und die
Sperrbezirksverordnung verfassungswidrig und damit nichtig sei, weil
die Ermächtigungsgrundlage in Art. 297 EGStGB gegen Art. 12 GG
verstoße, wurde abgewiesen. Den Antrag des Beschwerdeführers auf
Zulassung der Berufung lehnte der Verwaltungsgerichtshof ab.
Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hat die 1. Kammer des
Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung
angenommen. Die Ermächtigungsgrundlage für Sperrbezirksverordnungen in
Art. 297 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB steht insbesondere in Einklang mit
dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Außerdem verstößt
sie nicht gegen das Gebot der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit
und ist sowohl mit dem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) als auch
mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Eigentumsgarantie
(Art 14 Abs. 1 GG) vereinbar.
Nach den für Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG geltenden Grundsätzen ist
insbesondere der unbestimmte Rechtsbegriff des öffentlichen Anstandes
durch die Rechtsprechung und auch den Gesetzgeber hinreichend
präzisiert. Allerdings würde ein Normverständnis des Art. 297 EGStGB,
wonach jede Ausübung der Prostitution zugleich den öffentlichen Anstand
verletzt, der Vorschrift offensichtlich nicht gerecht. Mit dem Schutz
des öffentlichen Anstands wird nach der Rechtsprechung der
Verwaltungsgerichte nicht die Wahrung der allgemeinen Sittlichkeit
bezweckt. Verstanden als Norm, die allein der Durchsetzung von
verschiedenen Moralvorstellungen dient, wäre die Vorschrift in der Tat
verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Die Fachgerichte verstehen
demgegenüber Art. 297 EGStGB in verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise als eine Norm auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr
mit der Zielsetzung, das Zusammenleben der Menschen zu ordnen, soweit
ihr Verhalten sozialrelevant sei, nach außen in Erscheinung trete und
das Allgemeinwohl beeinträchtigen könne. Handlungen und Zustände, die
eine enge Beziehung zum Geschlechtsleben haben, können Belange des
Allgemeinwohls insbesondere dann beeinträchtigen, wenn Dritte dadurch
erheblich belästigt würden; dies gilt insbesondere für die
Begleitumstände der Prostitution. Der Erlass einer
Sperrbezirksverordnung zum Schutze des öffentlichen Anstandes kann
insbesondere damit gerechtfertigt werden, dass die Eigenart des
betroffenen Gebietes durch eine besondere Schutzbedürftigkeit und
Sensibilität, z.B. als Gebiet mit hohem Wohnanteil sowie Schulen,
Kindergärten, Kirchen und sozialen Einrichtungen gekennzeichnet ist und
eine nach außen in Erscheinung tretende Ausübung der Prostitution
typischerweise damit verbundene Belästigungen Unbeteiligter und
"milieubedingter Unruhe", wie z.B. das Werben von Freiern und
anstößiges Verhalten gegenüber Passantinnen und Anwohnerinnen
befürchten lässt.
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit und
Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen vor. Aus dem Umstand, dass
der Gesetzgeber bewusst von einer Änderung des Art. 297 EGStGB Abstand
genommen hat, ergibt sich insbesondere kein rechtsstaatswidriger
Widerspruch zum Prostitutionsgesetz. Die Festsetzung von Sperrbezirken
auf der Grundlage des Art. 297 EGStGB dient nur der lokalen Steuerung
der Prostitutionsausübung aus ordnungsrechtlichen Gründen, stellt aber
die sonstige Legalisierung der Prostitutionsausübung nicht in Frage.
Die Ermächtigung zum Erlass einer Sperrgebietsverordnung nach Art. 297
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGStGB für Teile des Gemeindegebiets stellt sowohl
für Prostituierte als auch für sonstige Personen, die im Umfeld der
Prostitution eine berufliche Tätigkeit entfalten, eine zulässige
Berufsausübungsregelung dar. Der "Schutz der Jugend" und der "Schutz
des öffentlichen Anstandes" sind als vernünftige Gründe des Gemeinwohls
legitime gesetzgeberische Ziele, die einen Eingriff in die durch Art.
12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen. Die Norm
ist insbesondere auch geeignet und erforderlich, um den vom Gesetzgeber
erstrebten Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands zu
erreichen. Die Wohnungsprostitution wird zwar häufig deutlich weniger
wahrnehmbar sein als die Straßen- und die Bordellprostitution. Jedoch
können Belästigungen der Anwohner, milieubedingte Unruhe, das
Ansprechen Unbeteiligter sowie das Anfahren und Abfahren der Freier als
sichtbare Begleiterscheinungen der Prostitution nicht von vornherein
für den Bereich der Wohnungsprostitution als ausgeschlossen betrachtet
werden. In welchem Umfang und mit welchen Maßgaben sich der Erlass
einer Sperrbezirksverordnung im Einzelfall unter Berücksichtigung der
davon beeinträchtigten Grundrechte als verhältnismäßig erweist, ist
daher vor allem bei Erlass der jeweiligen Sperrbezirksverordnung unter
Abwägung aller betroffenen Rechtspositionen und öffentlichen Belange zu
entscheiden. Auf dieser Ebene kann auch einer geringeren öffentlichen
Sichtbarkeit der Wohnungsprostitution beim Ausgleich aller Interessen
angemessen Rechnung getragen werden.
Die Vorschrift stellt auch eine rechtmäßige Inhalts- und
Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar.
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