Der Beschwerdeführer, ein Steuerberater, wurde morgens gegen sieben Uhr,
als er seine Kinder zur Schule brachte, wegen Verdachts der
Bestechlichkeit und der Untreue zum Nachteil des berufsständischen
Versorgungswerks für Rechtsanwälte festgenommen und in Untersuchungshaft
verbracht. Nach seinen Angaben musste er sich bei Aufnahme in die
Untersuchungshaft entkleiden und durch Justizvollzugsbeamte im
Intimbereich untersuchen lassen (Anusinspektion). Widerspruch und Antrag
auf gerichtliche Entscheidung hiergegen blieben erfolglos. Das
Hanseatische Oberlandesgericht erachtete die Maßnahme für rechtmäßig.
Die allgemeine Anordnung, neu aufzunehmende Gefangene entsprechend zu
untersuchen, sei zur Wahrung der Ordnung der Vollzugsanstalt (§ 119 Abs.
3 StPO) erforderlich gewesen, nämlich um zu verhindern, dass
Betäubungsmittel, Geld oder andere verbotene Gegenstände am oder im
Körper versteckt eingeschmuggelt würden.
Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers war
erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats stellte fest, dass das
Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers verletzt sei:
Zu Recht ist das Oberlandesgericht zwar davon ausgegangen, dass das
Einbringen von Drogen und anderen verbotenen Gegenständen in
Justizvollzugsanstalten eine schwerwiegende Gefahr für die Ordnung der
jeweiligen Anstalt darstellt. Es hat aber weder dem besonderen Gewicht
der im vorliegenden Fall berührten grundrechtlichen Belange noch den
besonderen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen, die sich für
die Zulässigkeit eingreifender Maßnahmen im Vollzug der
Untersuchungshaft aus dem generalklauselartigen Charakter der
Eingriffsermächtigung des § 119 Abs. 3 StPO sowie aus den Besonderheiten
der Untersuchungshaft ergeben.
Eingriffe, die den Intimbereich und das Schamgefühl des Inhaftierten
berühren, lassen sich im Haftvollzug nicht prinzipiell vermeiden. Der
Gefangene hat insoweit aber Anspruch auf besondere Rücksichtnahme. Der
bloße Umstand, dass Verwaltungsabläufe sich ohne eingriffsvermeidende
Rücksichtnahmen einfacher gestalten, ist hier noch weniger als in
anderen, weniger sensiblen Bereichen geeignet, den Verzicht auf solche
Rücksichtnahmen zu rechtfertigen. Dies gilt in verschärftem Maße für
Eingriffe während der Untersuchungshaft, die auf der Grundlage bloßen
Verdachts verhängt wird.
Indem das Oberlandesgericht die vom Beschwerdeführer vorgetragenen
Umstände des konkreten Falles nicht gewürdigt hat, sondern davon
ausgegangen ist, die fragliche Maßnahme sei bei Antritt der
Untersuchungshaft generell und unabhängig von den Umständen des
Einzelfalles zulässig, hat es dem Persönlichkeitsrecht des
Beschwerdeführers (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) nicht
hinreichend Rechnung getragen. Darüber hinaus hat das Gericht auch
Möglichkeiten der milderen Ausgestaltung des Eingriffs wie die nach
Auskunft der Justizbehörde üblicherweise praktizierte, das Schamgefühl
weniger intensiv berührende Durchführung einer etwaigen Inspektion von
Körperhöhlen durch einen Arzt oder eine Ärztin nicht erwogen.
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