Verpflichtung zur Leistung der schwerbehindertenrechtlichen Ausgleichsabgabe durch den Verein „Ärzte ohne Grenzen“?

Verpflichtung zur Leistung der schwerbehindertenrechtlichen Ausgleichsabgabe durch den Verein „Ärzte ohne Grenzen“?

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 64/2016

Arbeitgeber, die nicht die gesetzlich vorgeschriebene Zahl von schwerbehinderten Menschen beschäftigen, müssen für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe entrichten. Bei der Berechnung dieser Abgabe sind kraft Gesetzes Stellen nicht zu berücksichtigen, auf denen Personen beschäftigt werden, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer Art bestimmt ist. Danach ist nicht auszuschließen, dass sich der Kläger, der Verein „Ärzte ohne Grenzen“, die im Rahmen von Hilfseinsätzen im Ausland besetzten Stellen nicht anrechnen lassen muss. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung eines Teils (insgesamt etwa 35 400 €) der von ihm in den Jahren 2010 und 2011 entrichteten Ausgleichsabgabe. Er beschäftigt Mitarbeiter sowohl in Deutschland als auch im Ausland, um entsprechend seiner Satzung Menschen in Not, Opfern von natürlich verursachten oder von Menschen geschaffenen Katastrophen und bewaffneten Konflikten zu helfen. Mit den für die Hilfseinsätze im Ausland rekrutierten Freiwilligen schließt er im Inland befristete Anstellungsverträge und zahlt ihnen eine monatliche Aufwandsentschädigung, die bei Personen seinerzeit ohne Vorerfahrung 925 € betrug. Zudem übernimmt er die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung vor Ort. Die Hilfseinsätze im Ausland dauern in der Regel bis zu neun Monaten. Bei der von dem Kläger für die Jahre 2010 und 2011 der Bundesagentur für Arbeit mitgeteilten Anzahl der Arbeitsplätze wurden diese Auslandsstellen zunächst mitgezählt. In der Folgezeit machte der Kläger geltend, die Stellen dürften nicht berücksichtigt werden. Dies lehnte der Beklagte ab. Die Klage ist vor dem Verwaltungsgericht Berlin und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erfolglos geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen. Soweit der Ausnahmetatbestand eine nicht in erster Linie dem Erwerb dienende Beschäftigung voraussetzt, ist eine objektivierte stellenbezogene Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände erforderlich. Es kommt nicht darauf an, ob für die Beschäftigung überhaupt eine Gegenleistung erbracht wird, sondern darauf, ob die gewährten Zuwendungen nicht schwerpunktmäßig der Gewinnerzielung dienen. Die insoweit in Bezug auf die betroffenen Stellen gebotenen tatsächlichen Feststellungen fehlen. Daher war das Verfahren an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Solche Feststellungen sind notwendig, weil die Beschäftigung auf diesen Stellen vorwiegend durch Beweggründe karitativer Art bestimmt war und damit die weitere Voraussetzung des Ausnahmetatbestandes erfüllt ist.

BVerwG 5 C 1.15 – Urteil vom 30. Juni 2016

Vorinstanzen:
OVG Berlin-Brandenburg 6 B 10.14 – Urteil vom 19. November 2014
VG Berlin 37 K 209.13 – Urteil vom 24. Februar 2014