Der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat heute den mit Gründen versehenen Beschluss über die Beschwerde des Angeklagten Maik S. gegen den Haftbefehl im Verfahren wegen des Brandanschlags auf eine Sporthalle in Nauen im Jahr 2014 bekanntgegeben.
In der Begründung der Entscheidung führt der Senat im Wesentlichen aus: Zwar sei der Angeklagte weiterhin des dem Haftbefehl in der Fassung vom 17. Dezember 2018 zugrunde liegenden Vorwurfs der Brandstiftung, Sachbeschädigung und Nötigung dringend verdächtig. Auch seien unverändert die Haftgründe der Fluchtgefahr wegen der bei einer Verurteilung zu erwartenden mehrjährigen Freiheitsstrafe und der Verdunkelungsgefahr gegeben.
Die Fortdauer der Untersuchungshaft erweise sich aber als unverhältnismäßig infolge vermeidbarer, dem Angeklagten nicht zuzurechnender Verfahrensverzögerungen, die in der Gesamtschau des Verfahrens nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils mit dem Recht des Angeklagten auf Beachtung des im rechtsstaatlichen Verfahren verankerten Beschleunigungsgebots nicht mehr vereinbar seien.
Bei der Anordnung und Überprüfung der Untersuchungshaft sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ständig zu prüfen, ob die Beschränkung des in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG garantierten Rechts auf persönliche Freiheit wegen des staatlichen Interesses an der Strafverfolgung gerechtfertigt sei.
In der Abwägung beider Belange setze der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen. Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößere sich gegenüber dem Interesse an der wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Allein die Schwere der Tat und die sich daraus ergebende Straferwartung könnten bei erheblichen, vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen nicht zur Rechtfertigung einer ohnehin schon lang dauernden Untersuchungshaft dienen.
Das Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Potsdam und die Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Potsdam seien zwar stringent und zügig geführt worden. Gleiches gelte auch für die am 10. Oktober 2018 begonnene Hauptverhandlung vor der 5. Strafkammer des Landgerichts Potsdam. Es sei aber nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils zu erheblichen Verfahrensverzögerungen beim Landgericht Potsdam und beim Bundesgerichtshof gekommen, die sich auf eine Gesamtzeit von mehr als sechs Monaten addierten und mit dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung in Haftsachen nicht mehr vereinbar seien.
Nach der Urteilsverkündung der 1. Strafkammer am 9. Februar 2017 sei das mit Gründen versehene schriftliche Urteil fristgerecht am 12. April 2017 zur Akte gelangt; die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls sei aber erst am 7. Juli 2017 erfolgt. Die Erstellung des Hauptverhandlungsprotokolls müsse wegen des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen im unmittelbarem Anschluss an die Hauptverhandlung und damit parallel zur schriftlichen Absetzung der Urteilsgründe erfolgen. Für die Fertigstellung des Protokolls habe hier unter Berücksichtigung seines nicht außergewöhnlichen Umfangs bis zum 12. April 2017 ein ausreichend langer Zeitraum zur Verfügung gestanden. Die Verzögerung der Unterzeichnung bis zum 7. Juli 2017, also um nahezu drei Monate, sei sachlich nicht gerechtfertigt und vermeidbar gewesen.
Eine weitere Verzögerung des Verfahrens sei dadurch eingetreten, dass der Vorsitzende der Kammer am 10. Juli 2017 die Zustellung des schriftlichen Urteils und des Protokolls verfügt habe, bis zur Ausführung der Verfügung am 4. August 2017 aber der übliche und angemessene Bearbeitungszeitraum von drei Tagen um drei Wochen überschritten worden sei.
Vermeidbar sei zudem eine Verfahrensverzögerung von weiteren drei Wochen gewesen, die nach Fertigung der Revisionsgegenerklärung durch die Staatsanwaltschaft Potsdam am 5. Oktober 2017 bis zur Übersendung der Akten von dort an den Bundesgerichtshof am 1. November 2017 eingetreten sei.
Schließlich sieht der Senat eine vermeidbare Verfahrensverzögerung darin, dass nach Beratung über die Revision in dem zuständigen Strafsenat des Bundesgerichtshofs am 6. März 2018 der Zeitraum bis zur Schlussverfügung am 1. Juni 2018 knapp drei Monate betragen habe. Dies begründe unter Berücksichtigung des notwendigen Bearbeitungszeitraumes für die Abfassung und Unterzeichnung des Beschlusses eine Verzögerung von mindestens zwei Monaten. Bis zur Versendung der Akte an die Staatsanwaltschaft Potsdam sei zudem eine nicht gerechtfertigte weitere Verzögerung von einer Woche eingetreten.
Az.: 1 Ws 203/18 Brandenburgisches Oberlandesgericht