Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 20/2018
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute drei Klagen abgewiesen, die gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes für das Vorhaben „Aus- und Neubaustrecke Karlsruhe – Basel, Planfeststellungsabschnitt 9.0b, Müllheim – Auggen“ gerichtet waren. Kläger waren die Gemeinde Auggen, die Stadt Müllheim und eine Privatperson.
Die bislang zweigleisige Strecke Karlsruhe – Basel soll insbesondere für den Güterverkehr um zwei weitere Gleise erweitert, also insgesamt viergleisig werden. Im etwa 6 km langen Abschnitt Müllheim – Auggen soll die Neubaustrecke in Bündelung mit der vorhandenen Trasse gebaut werden. Die DB Netz AG hatte ursprünglich die Planfeststellung für einen etwa 12 km langen Abschnitt Buggingen – Auggen beantragt. Im März 2012 sprach sich ein aus Vertretern des Bundes, des Landes Baden-Württemberg, der DB Netz AG, der Region und von Bürgerinitiativen gebildeter Projektbeirat für die so genannte Bürgertrasse (Tieflage von Mengen bis Hügelheim mit Umfahrung Buggingen) aus. Da die für diese Trasse erforderlichen Umplanungen im nördlichen Bereich des ursprünglichen Abschnitts nicht kurzfristig erledigt werden konnten, beantragte die DB Netz AG, die Planfeststellung auf den südlichen Abschnitt 9.0b Müllheim – Auggen zu beschränken. Das Eisenbahn-Bundesamt stellte den geänderten Plan fest. Die Anwohner sollen u.a. durch bis zu 5,5 m hohe Lärmschutzwände vor Schienenlärm geschützt werden.
Die Klagen blieben ohne Erfolg. Die Klage der Privatperson war bereits unzulässig. Dass sie durch den Schienenlärm mehr als geringfügig betroffen werde, hat sie selbst nicht geltend gemacht; ihr Grundstück liegt etwa 2,5 km von der Trasse entfernt. Auf die Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung – die Trasse verläuft innerhalb der weiteren Schutzzone zweier Wasserschutzgebiete – kann sie sich nicht berufen. Die Festsetzung der Wasserschutzgebiete dient allein dem Wohl der Allgemeinheit. Der Umstand, dass sie ihr Wasser bei dem Versorger beziehen muss, der die geschützte Trinkwassergewinnungsanlage betreibt, führt nicht zu einer qualifizierten und individualisierten Betroffenheit, auf die bei der Zulassung des Vorhabens Rücksicht zu nehmen sein könnte.
Die Klagen der Gemeinde Auggen und der Stadt Müllheim waren zulässig, aber nicht begründet. Eine weitere Erörterung ihrer Einwendungen konnten die Klägerinnen nicht verlangen. Das Regierungspräsidium Freiburg hatte im Februar 2008 Einwendungen gegen die Trassenwahl erörtert. Eine für Juli 2009 anberaumte Erörterung der Antragstrasse hatte es abgesagt, weil Mitglieder einer Bürgerinitiative die Halle blockiert hatten; es hat den Termin auch nicht nachgeholt. Bei Eisenbahnvorhaben kann die Anhörungsbehörde auf eine Erörterung verzichten. Das Regierungspräsidium Freiburg hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Welche ihrer Einwendungen nach der Erörterung im Februar 2008 noch offen waren und der Erläuterung in einem weiteren Erörterungstermin bedurft hätten, haben die Klägerinnen nicht aufgezeigt. Sie hätten auch nicht nach Beschränkung des Antrags auf den Abschnitt Müllheim – Auggen ergänzend angehört werden müssen. In der Gemeinde Auggen hat die Überarbeitung des Schallschutzkonzepts zwar in einzelnen Abschnitten zu höheren und längeren Lärmschutzwänden geführt, jedoch nur in gewerblich geprägten Teilen des Gemeindegebiets; für das Ortsbild hatten diese Änderungen allenfalls eine geringfügige Bedeutung. Der Vorwurf, die neue Abschnittsbildung schließe bereits jetzt eine Tieflage auch für den Ortsteil Hügelheim der Stadt Müllheim im nördlich anschließenden Abschnitt aus, ist nicht berechtigt. Eine Tieflage von Mengen bis Hügelheim ist weiterhin möglich; eine Tieflage über Hügelheim hinaus wird nicht durch die Abschnittsbildung, sondern durch die Feststellung der oberirdischen Trasse im Planfeststellungsabschnitt Müllheim – Auggen ausgeschlossen.
Die Planungshoheit der Gemeinde Auggen und der Stadt Müllheim wird durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt. Eine vorhabenbedingte Zunahme des Schienenlärms ist wegen der geplanten Lärmschutzwände und des so genannten besonders überwachten Gleises trotz der prognostizierten Zunahme des Verkehrs nicht zu erwarten. Dass die neue Eisenbahnüberführung über den Klemmbach in der Stadt Müllheim nachteilige Auswirkungen im Fall eines Hochwassers hat, kann ausgeschlossen werden, nachdem das Eisenbahn-Bundesamt die Regelung zu den Abmessungen des Durchlasses in der mündlichen Verhandlung präzisiert und den Planfeststellungsbeschluss um Vorkehrungen gegen eine Verklausung des Durchlasses ergänzt hat. Eine Tieflage der Strecke hat das Eisenbahn-Bundesamt abwägungsfehlerfrei verworfen; sie drängt sich nicht als eindeutig vorzugswürdig auf. Da die Probleme der oberirdischen Streckenführung den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gelöst werden, durften die deutlich höheren Kosten einer Tieflage trotz ihrer geringeren Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild den Ausschlag zugunsten der planfestgestellten oberirdischen Streckenführung geben. Dass der Projektbeirat die DB bereits vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses aufgefordert hat, die Trasse nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in einem ergänzenden Verfahren mit zusätzlichem Lärmschutz auszustatten, entzieht der Planung nicht ihre Rechtfertigung. Die Entscheidung der DB für eine oberirdische Trassenführung im Abschnitt Müllheim – Auggen wird dadurch nicht berührt. Zudem stand die Aufforderung unter dem Vorbehalt, dass die parlamentarischen Gremien die erforderlichen Haushaltsmittel für die zusätzlichen Kosten bereitstellen.
BVerwG 3 A 10.15 – Urteil vom 12. April 2018
BVerwG 3 A 16.15 – Urteil vom 12. April 2018