Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 16/2019
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in erster und letzter Instanz das Eisenbahn-Bundesamt verpflichtet, über die Forderung des Landkreises Sonneberg und des Freistaates Thüringen, den Rettungsplatz am Notausgang 8 des Eisenbahntunnels Blessberg zu vergrößern, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Damit hatten die Klagen des Kreises und des Freistaates gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. März 2016 zur 7. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes vom 20. Januar 1995 für das Vorhaben „Neubaustrecke Ebensfeld – Erfurt, Planfeststellungsabschnitt 2.12 Thüringer Wald“ teilweise Erfolg. Die weitergehenden Klagen auf Vergrößerung einer Rettungsplatzfläche am Tunnel Goldberg und – nur im Verfahren des Freistaates – am Tunnel Masserberg hat das Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Auch die Klagen des Ilmkreises und des Freistaates Thüringen auf Vergrößerung des Rettungsplatzes am Notausgang 7 des Tunnels Silberberg im Planfeststellungsabschnitt 2.2 Ilmenau sind ohne Erfolg geblieben.
Am Tunnel Blessberg mit einer Länge von 8,3 km sind mehrere Notausgänge an einen gemeinsamen Rettungsstollen angebunden, der am Notausgang 8 ins Freie auf einen Rettungsplatz führt. Der Planfeststellungsbeschluss sieht vor, den Rettungsplatz von rd. 280 qm auf rd. 1540 qm zu vergrößern. An den Tunneln Goldberg (1,16 km lang) und Masserberg (1,05 km lang) führt ein Notausgang unmittelbar neben den Nordportalen der Tunnel ins Freie. Für Notausgang und Tunnelportal ist jeweils ein gemeinsamer Rettungsplatz vorgesehen. Nach dem geänderten Plan ist die Rettungsplatzfläche von rd. 300 qm auf rd. 1500 qm bzw. von rd. 500 qm auf rd. 1550 qm zu erweitern. Am Tunnel Silberberg (7,4 km lang) sind – wie am Tunnel Blessberg – mehrere Notausgänge an einen gemeinsamen Rettungsstollen angebunden. Der gemeinsame Rettungsplatz am Notausgang 7 soll von rd. 1100 qm auf rd. 184o qm erweitert werden. Mit ihren Klagen verfolgten die Kläger ihre bereits im Planänderungsverfahren erhobene Forderung weiter, die Rettungsplätze auf jeweils 3000 qm zu vergrößern. Sie rügten, die planfestgestellten Flächen seien nicht ausreichend, um im Einsatzfall alle Aufgaben sicher und effektiv erfüllen zu können.
Die Klagen betreffend den Planfeststellungsabschnitt 2.12 Thüringer Wald hatten teilweise Erfolg. Die Klagen sind insgesamt zulässig. Die Kläger sind klagebefugt, da sie sich in Bezug auf die Größe der Rettungsplätze auf eine wehrfähige Rechtsposition berufen können. Nach dem Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz (ThürBKG) ist das Land Aufgabenträger für den Katastrophenschutz und für die zentralen Aufgaben des Brandschutzes. Es hat danach auch die Aufgabe, bei Schadensereignissen in Eisenbahntunneln den Brand- und Katastrophenschutz zu gewährleisten. Den Landkreisen ist der überörtliche Brandschutz als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen. Sowohl der Freistaat als auch die Landkreise haben geltend gemacht, dass im Ereignisfall die Erfüllung ihrer Aufgaben infolge der planfestgestellten Rettungsplatzgröße erschwert werde.
Die Klagen sind hinsichtlich des Rettungsplatzes am Notausgang 8 des Blessbergtunnels begründet; hinsichtlich der anderen Rettungsplätze sind sie unbegründet. Gemäß § 4 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) und § 2 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) müssen Bahnanlagen so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der öffentlichen Sicherheit genügen. Die technischen Sicherheitsanforderungen an Eisenbahntunnel werden durch die Richtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes zu den „Anforderungen des Brand- und Katastrophenschutzes an den Bau und den Betrieb von Eisenbahntunneln“ konkretisiert. Die Richtlinie ist von Fachleuten aus den Bundesländern, von der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren, der Deutsche Bahn AG und des Eisenbahn-Bundesamtes erarbeitet worden. Durch eine Neufassung der Richtlinie vom 1. Juli 2008 haben sich die Anforderungen an die Sicherheit von Eisenbahntunneln erhöht. Die Richtlinie verlangt nunmehr, dass bei Tunneln mit einer Länge von über 1000 m an den beiden Tunnelportalen und an den ins Freie führenden Notausgängen jeweils ein Rettungsplatz anzuordnen ist und dass der Rettungsplatz eine Gesamtfläche von mindestens 1500 qm aufzuweisen hat. Die Richtlinie lässt die Bündelung von mehreren Notausgängen an einen gemeinsamen Rettungsstollen ausdrücklich zu, ohne an die Größe des Rettungsplatzes besondere Anforderungen zu stellen; sie sieht eine Mindestfläche von 1500 qm auch in diesem Fall grundsätzlich als ausreichend an. Das Gleiche gilt, wenn ein Notausgang unmittelbar neben einem Tunnelportal ins Freie führt. Die in der Richtlinie festgelegte Mindestfläche steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass bei dem fraglichen Tunnel bzw. Tunnelabschnitt keine atypischen, außergewöhnlichen Umstände vorliegen, die eine größere Rettungsplatzfläche erfordern.
Beim Notausgang 8 am Tunnel Blessberg liegen in der Gesamtschau solche außergewöhnlichen Umstände vor. Die Zufahrt zum Rettungsplatz durch den Thüringer Wald über ausgebaute Waldwege ist mit über 7 km besonders lang und fahrtechnisch außergewöhnlich anspruchsvoll. Der erforderliche Begegnungsverkehr ist nur mit Ausweichstellen möglich. Wegen dieser Schwierigkeiten muss der Rettungsplatz vorsorglich mit einer größeren Zahl von Fahrzeugen und Einsatzkräften angefahren werden als ein leicht und schnell erreichbarer Rettungsplatz. Zudem muss eine Durchfahrt zum Rettungsplatz am Nordportal des Tunnels freigehalten werden. Zusätzliche Bereitstellungsflächen außerhalb des Rettungsplatzes sind nicht vorhanden. Soweit sich die Vorhabenträgerin im Planfeststellungsverfahren bereit erklärt hat, in der Nähe des Notausgangs 8 weitere Teilflächen von insgesamt ca. 500 qm nutzbar zu machen, sind diese Flächen nicht planfestgestellt worden.
Vom Eisenbahn-Bundesamt war daher zu prüfen, ob wegen dieser besonderen, den Rettungseinsatz erschwerenden Umstände eine weitere Vergrößerung des Rettungsplatzes erforderlich ist. Der Planfeststellungsbeschluss vom 30. März 2016 lässt nicht erkennen, dass das Eisenbahn-Bundesamt eine solche Prüfung vorgenommen hat. Daraus ergibt sich der Anspruch der Kläger auf Neubescheidung ihrer Forderung.
Bei den Rettungsplätzen an den Nordportalen des Goldbergtunnels und des Masserbergtunnels liegt keine vergleichbare Besonderheit der örtlichen Verhältnisse vor. Die planfestgestellte Rettungsplatzgröße ist daher nicht zu beanstanden.
In der Gesamtschau weist auch der Rettungsplatz am Notausgang 7 des Tunnels Silberberg keine Besonderheiten auf, die dem Eisenbahn-Bundesamt Veranlassung geben mussten, einen weitergehenden Flächenbedarf in Betracht zu ziehen. Die planfestgestellte Fläche überschreitet die in der Richtlinie vorgegebene Mindestfläche um 340 qm. Der Platz ist unmittelbar an das öffentliche Verkehrswegenetz angebunden. Das Eisenbahn-Bundesamt durfte auch zugrunde legen, dass die Landesstraße erforderlichenfalls als zusätzliche Bereitstellungsfläche für Einsatzfahrzeuge genutzt werden kann.
BVerwG 3 A 1.18 – Urteil vom 28. Februar 2019
BVerwG 3 A 2.18 – Urteil vom 28. Februar 2019
BVerwG 3 A 4.16 – Urteil vom 28. Februar 2019
BVerwG 3 A 5.16 – Urteil vom 28. Februar 2019