Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 80/2017
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Abschiebung eines Asylbewerbers nach Afghanistan abgelehnt. Zugleich hat sie dem Bevollmächtigten des Antragstellers wegen grob irreführender Angaben eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 2.600 € auferlegt.
Sachverhalt:
- Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und reiste im Jahr 2011 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde im Jahr 2013 abgelehnt; die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. Am 11. September 2017 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die drohende Abschiebung abzuwenden. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom gleichen Tag abgelehnt. Dem Antrag fehle bereits das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller selbst die besondere Eilbedürftigkeit zu vertreten habe. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet.
- Am 12. September 2017 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers zwischen 15:20 Uhr und 18:45 Uhr einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit zahlreichen Anlagen per Fax an das Bundesverfassungsgericht übermittelt. Darin wurde insbesondere vorgetragen, dass eine Abschiebung noch am 12. September 2017 bevorstehe. Am 13. September 2017 hat der Bevollmächtigte auf Nachfrage mitgeteilt, dass er bereits am Morgen des 12. September erfahren habe, dass der Antragsteller untergetaucht sei. Eine Abschiebung des Antragstellers sei nicht erfolgt.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
- Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (§ 32 Abs. 1
BVerfGG). - a) Eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde wäre jedoch nach dem derzeitigen Stand des vom Antragsteller vorgelegten Materials unsubstantiiert, weil wesentliche Unterlagen bisher nicht vorgelegt und die Lebensumstände des Antragstellers nur in unzureichenden Ansätzen geschildert worden sind. Auch im Übrigen fehlt es bisher an einer hinreichenden Begründung dafür, dass der angegriffene Beschluss Verfassungsrecht verletzt.
- b) Allerdings ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Antrag fehle das Rechtsschutzbedürfnis, unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt vertretbar. Vielmehr ist die besondere Eilbedürftigkeit in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Durchführung einer Abschiebung regelmäßig eine Folge davon, dass der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden darf (§ 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG).
- Das Bundesverfassungsgericht muss es aber nicht hinnehmen, an der Erfüllung seiner Aufgaben durch erkennbar missbräuchliche Anträge gehindert zu werden. Die Beantragung einer einstweiligen Anordnung stellt unter anderem dann einen Missbrauch dar, wenn dem Bundesverfassungsgericht falsche Angaben über entscheidungserhebliche Umstände vorgetragen werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weshalb dem Bevollmächtigten des Antragstellers eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 2.600 € auferlegt wurde. Dieser wusste seit dem Morgen des 12. September 2017, also vor Antragstellung beim Bundesverfassungsgericht, dass sein Mandant untergetaucht war, so dass die dem Antragsteller bestandskräftig angedrohte Abschiebung tatsächlich nicht würde stattfinden können. Auf diese Umstände hat der Bevollmächtigte das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht hingewiesen. Er hat vielmehr sowohl durch seine Schriftsätze als auch durch zahlreiche Anrufe den Eindruck erweckt, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Afghanistan unmittelbar bevorstand. Diese Täuschung ist besonders gewichtig, weil die Sache das Bundesverfassungsgericht zu einer Zeit in Anspruch genommen hat, in der wegen einer unmittelbar bevorstehenden Sammelabschiebung mit dringlichen Rechtsschutzbegehren anderer Betroffener zu rechnen war. Hätte der Bevollmächtigte für den Fall, dass sein Mandant noch im Laufe des 12. September 2017 aufgegriffen worden wäre, Vorsorge treffen wollen, hätte er unter Beifügung relevanter Unterlagen ein eilbedürftiges Rechtsschutzbegehren ankündigen können, ohne einen Antrag bereits zu stellen.