Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 51/2016
Das Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung von dienstlichen Beurteilungen ermöglicht die Vergabe von Funktionsämtern während der Dauer eines beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahrens. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.
Die antragstellende Beamtin bewarb sich um einen höherwertigen Dienstposten (eine Referatsleitung) beim Bundesnachrichtendienst. Nachdem die Auswahlentscheidung zu Ihren Gunsten ergangen war, teilte der Dienstherr ihr mit, dass die Entscheidung auf den Widerspruch eines Mitbewerbers aufgehoben und das Auswahlverfahren habe abgebrochen werden müssen, weil für den Mitbewerber keine hinreichend aktuelle dienstliche Beurteilung mehr vorgelegen habe. Ebendiesem Mitbewerber hatte die Behördenleitung zwischenzeitlich die Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens kommissarisch übertragen.
Das für Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes erstinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht hat der Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren fortzusetzen, und dazu im Wesentlichen ausgeführt:
Der Abbruch eines Auswahlverfahrens um einen Beförderungsdienstposten mit der Begründung, die dienstliche Beurteilung eines Mitbewerbers sei nicht mehr aktuell, erfolgt ohne sachlichen Grund, wenn die dienstliche Beurteilung – wie hier – nicht länger zurückliegt als der Regelbeurteilungszeitraum und es auch keinen Grund für eine Anlassbeurteilung gibt. Die Notwendigkeit einer neuen aktuellen dienstlichen Beurteilung und damit ein sachlicher Abbruchgrund folgen nicht aus dem Umstand, dass der Dienstherr die Aufgaben des streitbefangenen Beförderungsdienstpostens einem Mitbewerber übertragen hat. Ein dadurch ggf. erlangter Bewährungsvorsprung dieses Mitbewerbers muss vielmehr – im Gegenteil – zur Vermeidung einer unzulässigen Bevorzugung dieses Bewerbers im Auswahlverfahren „ausgeblendet“ werden, d.h. unberücksichtigt bleiben.
Das Ausblenden eines etwaigen Bewährungsvorsprungs bei rechtswidriger Dienstposteninhaberschaft wird ermöglicht durch eine „fiktive Fortschreibung“ der dienstlichen Beurteilung (für den Bereich der Bundesbeamten gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 der Bundeslaufbahnverordnung – BLV). Die „fiktive“ Komponente erfordert in dieser Konstellation nur, dass die aus der Aufgabenwahrnehmung des höherwertigen Dienstpostens folgenden Besonderheiten (z.B. die Wahrnehmung von Leitungsaufgaben) in der dienstlichen Beurteilung unberücksichtigt bleiben. Das Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung ermöglicht so die Vergabe von Funktionsämtern während des Laufs von beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren um die Vergabe des Statusamts und vermeidet damit das in dieser Fallkonstellation offenkundig werdende Problem der Stellenblockade. Die Vergabe des Funktionsamtes selbst unterliegt dabei nicht den Vorgaben der Bestenauswahl, solange eine Vorwirkung auf die nachfolgende Statusamtsvergabe vermieden wird.
BVerwG 2 VR 2.15 – Beschluss vom 10. Mai 2016