Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 23/2018
Wenn ein Gericht eine Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht – nach Art. 100 Abs. 1 GG – beantragt, muss es erläutern, warum die Unwirksamkeit der Norm für seine Entscheidung ausschlaggebend ist. Der Erste Senat hat mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden, dass die Vorlage des 8. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 26. September 2013 – 8 AZR 775/12 (A) – dieser Anforderung nicht hinreichend Rechnung trägt. Gegenstand der Vorlage war die Personalüberleitungsnorm des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 3. August 2010.
Sachverhalt:
Das Bundesarbeitsgericht hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen einen Personalübergang wendet. Sie war seit langem bei der Bundesagentur für Arbeit angestellt und in unterschiedlichen Aufgabenbereichen – SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) und SGB III (Arbeitsförderung) – leitend eingesetzt. Als der Landkreis im Zuge einer Verwaltungsreform die Aufgaben der Grundsicherung als kommunaler Träger übernahm, wurde ihr mitgeteilt, sie sei nun beim Landkreis beschäftigt. Dem widersprach die Klägerin; sie wollte weiterhin bei der Bundesagentur für Arbeit beschäftigt sein. Es kommt insofern darauf an, ob die Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf sie Anwendung findet. Darin hat der Gesetzgeber bestimmt, dass Beamtinnen und Beamte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zuvor mindestens 24 Monate die Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nach dem SGB II wahrgenommen haben, in den Dienst einer sogenannten Optionskommune übertreten, die dann alleinige Trägerschaft im SGB II übernimmt.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht sind davon ausgegangen, dass die Klägerin gar nicht von der Regelung des § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II erfasst sei, da sie nicht ausschließlich Aufgaben nach dem SGB II wahrgenommen habe. Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts war hingegen der Ansicht, dass die Klägerin unabhängig vom zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeiten im Bereich des SGB II dem Geltungsbereich der Norm unterfalle. Die Norm beeinträchtige aber das grundrechtlich geschützte Interesse von Beschäftigten, den Arbeitgeber als Vertragspartner des Arbeitsvertrages selbst zu wählen. Das Bundesarbeitsgericht hat dem Bundesverfassungsgericht deshalb die Frage vorgelegt, ob § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar ist.
Wesentliche Erwägungen des Senats:
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Vorlage für unzulässig befunden.
Wenn ein Gericht dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorlegt, ob eine Norm mit dem Grundgesetz vereinbar ist, muss es erläutern, warum die Unwirksamkeit der Norm für seine Entscheidung ausschlaggebend ist. Es muss insofern auch darlegen, ob und welche Auswirkungen die Norm für seine Entscheidung hat. Diesen Anforderungen entspricht der Vorlagebeschluss des 8. Senats des Bundesarbeitsgerichts nicht.
Im Streitfall ist der Umfang der für eine gesetzliche Personalüberleitung nach § 6c Abs. 1 SGB II notwendigen Tätigkeiten im Bereich des SGB II umstritten und ungeklärt. Die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, es komme auf den zeitlichen Umfang der konkret wahrgenommenen Tätigkeiten nicht weiter an, kann die Entscheidung nicht tragen. Sie widerspricht offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers. Dieser wollte durch den Übergang von eingearbeitetem und erfahrenem Personal die Qualität der Aufgabenerfüllung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewahrt wissen. Für Personalüberleitungsbestimmungen im öffentlichen Dienst ist auch sonst regelmäßig maßgeblich, welche Aufgaben in welchem Umfang getätigt wurden. Es wurde nicht hinreichend dargelegt, warum dies hier anders sein sollte.