Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 100/2015
Die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule nach baden-württembergischem Landesrecht darf nicht mit dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall verliehen werden, dass die Voraussetzungen für die Verleihung künftig wegfallen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Klägerin betreibt in Böblingen ein Kaufmännisches Berufskolleg, das als Ersatzschule genehmigt ist. Sie beantragte, ihrem Berufskolleg die Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule zu verleihen. Mit der Anerkennung erhält die Ersatzschule das Recht, nach den allgemein für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhalten und Zeugnisse zu erteilen. Nach den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen in Baden-Württemberg ist eine Voraussetzung für die Anerkennung, dass die Lehrer in der Regel die Anstellungsfähigkeit für das ihrer Tätigkeit entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besitzen. In der Verwaltungspraxis des Landes wird dieses Erfordernis als erfüllt angesehen, wenn mindestens zwei Drittel der eingesetzten Lehrkräfte diese Anstellungsfähigkeit besitzen. Das zuständige Regierungspräsidium lehnte den Antrag der Klägerin zunächst ab, weil an ihrem Berufskolleg weniger als zwei Drittel der Lehrkräfte die Anstellungsfähigkeit für das entsprechende Lehramt an öffentlichen Schulen besäßen. Während des daraufhin eingeleiteten Klageverfahrens hat das Regierungspräsidium, nachdem es die Voraussetzung nunmehr als erfüllt angesehen hat, die begehrte Anerkennung ausgesprochen. Es hat sie mit dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall versehen, dass die Voraussetzungen für die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule nicht mehr vorliegen, insbesondere die Zahl der Lehrkräfte mit Anstellungsfähigkeit unter zwei Drittel der unterrichtenden Lehrkräfte fällt. Die Klägerin hat das Klageverfahren mit dem Antrag fortgesetzt, diesen Widerrufsvorbehalt aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat den Widerrufsvorbehalt für zulässig gehalten und die Klage mit diesem Antrag abgewiesen.
Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesverwaltungsgericht den Widerrufsvorbehalt aufgehoben. Nach der einschlägigen Bestimmung des baden-württembergischen Privatschulschulgesetzes besteht ein Anspruch auf die Verleihung der Eigenschaft einer anerkannten Ersatzschule, wenn die im Privatschulgesetz geregelten Voraussetzungen erfüllt sind. Derartige Entscheidungen einer Behörde (Verwaltungsakte) dürfen nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht dann mit einer Nebenbestimmung, etwa einem Widerrufsvorbehalt, versehen werden, wenn diese Nebenbestimmung sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Die Beifügung einer Nebenbestimmung soll es der Behörde ermöglichen, einen den Bürger begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl noch nicht sämtliche hierfür aufgestellten Voraussetzungen erfüllt oder nachgewiesen sind. Die Nebenbestimmung ist ein Mittel, das Fehlen von Voraussetzungen für die Erteilung der Begünstigung zu überbrücken. Im Interesse des betroffenen Bürgers eröffnet sich so ein Weg, Versagungsgründe auszuräumen. Hier hatte der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die im Privatschulgesetz geregelten Voraussetzungen der begehrten Anerkennung vorlagen, der Widerrufsvorbehalt also nicht dazu diente, eine sonst nicht bestehende Möglichkeit der Anerkennung zu sichern. In einem solchen Fall darf ein Widerrufsvorbehalt der Anerkennung nicht beigefügt werden, um der Behörde einen einfacheren Weg zur Beendigung dieser Anerkennung zu eröffnen, wenn ihre Voraussetzungen einmal nicht mehr gegeben sein sollten. Tritt ein solcher Fall ein, kann die Anerkennung zwar auch nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht widerrufen werden, aber nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass ohne einen Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Mit dem Widerrufsvorbehalt würde die Behörde sich die Möglichkeit eines Widerrufs ohne diese Einschränkung verschaffen und das durch sie geschützte Bestandsinteresse des Adressaten unterlaufen.
BVerwG 6 C 37.14 – Urteil vom 09. Dezember 2015
Vorinstanzen:
VGH Mannheim 9 S 2430/12 – Urteil vom 24. Oktober 2013
VG Stuttgart 12 K 2217/12 – Urteil vom 24. Oktober 2012