Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 36/2016
Der Freistaat Sachsen ist nicht verpflichtet, die Nachtflugregelungen am Flughafen Leipzig/Halle zu ändern. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Flughafen Leipzig/Halle wurde auf der Grundlage eines Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 2004 mit dem Ziel ausgebaut, ein Drehkreuz für den Frachtverkehr zu entwickeln. Auf Klagen von Anwohnern beanstandete das Bundesverwaltungsgericht einige der Regelungen über den Nachtflugbetrieb (Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – BVerwGE 127,95). Im Jahr 2007 regelte der Freistaat Sachsen den nächtlichen Flugbetrieb erneut in einem Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss. Klagen dagegen wies das Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig ab (Urteil vom 24. Juli 2008 – BVerwG 4 A 3001.07 – BVerwGE 131, 316). Eine Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil blieb ebenso erfolglos wie eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2009 – 1 BvR 3474/08; EGMR, Entscheidung vom 10. Juni 2014 – 25330/10).
Zu den seinerzeit klagenden Anwohnern gehörte auch der Kläger des heute entschiedenen Verfahrens. Sein Wohngrundstück liegt etwa 11,5 km vom Flughafen entfernt im Nachtschutzgebiet; sein Haus verfügt in den Schlafräumen über Schallschutzfenster sowie Lüftungseinrichtungen.
Im September 2014 beantragte der Kläger die Aufhebung der Regelungen über die Zulässigkeit des Nachtflugbetriebs und berief sich auf aus seiner Sicht veränderte wissenschaftliche Erkenntnisse zu Gesundheitsbeeinträchtigungen durch nächtlichen Fluglärm.
Die gegen die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen erhobene Klage blieb erfolglos. Insbesondere kann der Kläger keinen Widerruf der Betriebsregelungen nach § 49 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) verlangen. Denn ein solcher Widerruf setzt voraus, dass auch nachträgliche Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG – etwa zum baulichen Schallschutz – die nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens nicht beseitigen. An dieser Voraussetzung fehlt es nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts. Den vom Kläger behaupteten veränderten Erkenntnissen zum nächtlichen Fluglärm könnte durch besseren baulichen Schallschutz Rechnung getragen werden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher nicht zu entscheiden, ob sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse tatsächlich seit dem Jahr 2007 in entscheidungserheblicher Weise verändert haben. Nicht Verfahrensgegenstand war ferner die Frage, ob der Schallschutz im Haus des Klägers ausreichend ist.
Der Kläger konnte sein Begehren auch nicht auf andere Vorschriften stützen. Eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG schied aus, weil nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2008 rechtskräftig feststeht, dass die Regelungen über den Nachtflugbetrieb rechtmäßig sind. Ein Wiederaufgreifen des Planfeststellungsverfahrens nach § 51 VwVfG schließt § 72 Abs. 1 VwVfG aus.
BVerwG 4 A 2.15 – Urteil vom 28. April 2016